Gibt es eine, keine oder viele „jugolawische“ Sprache(n)

Noch fährt der Savski Express
Versteht vermutlich jeder: Originelles Wirtshausschild in Belgrad

Gibt es eine, keine oder viele „jugolawische“ Sprache(n)

Ausländer, die nach Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro oder Serbien kommen, stellen häufig Fragen bezüglich der dortigen Sprache(n).

  • Auf der einen Seite hören sie nämlich, dass es eine jeweils eigene bosnische, kroatische, montenegrinische und serbische Sprache gäbe.
  • Auf der anderen Seite beobachten sie jedoch vor Ort, wie sich Menschen aus Sarajevo, Zagreb, Podgorica und Belgrad offensichtlich ohne Schwierigkeiten miteinander unterhalten. Und auch mit Besuchern aus Mazedonien und Slowenien scheint die Kommunikation problemlos zu klappen.
  • Verwirrend ist für viele Besucher außerdem, dass in Deutschland mitunter von „Jugoslawisch“ als Sprache gesprochen wurde/wir.

Mit diesem Beitrag soll etwas Licht in das Dunkel gebracht und mit einigen weit verbreiteten Missverständnissen aufgeräumt werden.

Missverständnis 1: Es gibt eine „jugoslawischen“ Sprache

Gebiete und Sprachen

Den Sprachen, die auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens gesprochen werden, nähert man sich am besten, dadurch, dass man sich noch einmal die Bestandteile des ehemaligen Staates in Erinnerung ruft.

Dieser bestand aus sechs Teilrepubliken, nämlich

  • Bosnien und Herzegowina,
  • Kroatien,
  • Mazedonien,
  • Montenegro,
  • Serbien und
  • Slowenien.

Innerhalb Serbiens gab es dann noch zwei Autonome Provinzen, nämlich das

  • Kosovo und die
  • Vojvodina

In sprachlicher Hinsicht ist zwischen

  • Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Serbien auf der einen und
  • Mazedonien und Slowenien auf der anderen Seite zu unterscheiden.

Abgrenzung zu Mazedonisch, Slowenisch und Minderheitensprachen wie Albanisch

In Mazedonien und Slowenien werden nämlich jeweils eigene Sprachen gesprochen, die eindeutig andere Sprache sind als das, was in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Serbien gesprochen wird.

Das Mazedonische und das Slowenische sind allerdings mit dem, was in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Serbien gesprochen wird, verwandt. Die diesbezüglichen Unterschiede sind ungefähr so wie zwischen dem Deutschen und dem Niederländischen.

Wer öfter mit der anderen Sprache zu tun hat, kann also, vor allem wenn er der kleineren Sprachgruppe angehört – die sich meist eher auf die größere einstellt, als umgekehrt – angehört, durchaus die andere verstehen.

 Völlig andersartige Sprachen sind dagegen das Albanisch, das von der Bevölkerungsmehrheit im Kosovo gesprochen wird, und die Sprache weitere Minderheiten, insbesondere in der Vojvodina, zu denen vor allem Ungarisch, Rumänisch, aber auch Rossinisch und anderes zählt.

Keine einheitliche Amtsprachen, aber im Militär einheitliche Kommandosprache

Zu jugoslawischen Zeiten gab es keine einheitliche Amtssprache für all diese Republiken und Autonomen Provinzen. Das Gesetzblatt beispielsweise erschien mehrsprachig.

Eine einheitliche Sprache wurde, aus wohl naheliegenden Gründen, jedoch im Militär, also in der jugoslawischen Volksarmee gesprochen. Dies war das sogenannte Serbokroatische in der Ekawischen (gemeinhin als „serbisch“ bezeichneten) Variante. (Was das ist wird unten noch erklärt.)

Im Moment reicht es festzuhalten, dass über die Verwendung dieser einheitlichen Sprache im Militär aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht die männlichen Angehörigen auch der Minderheiten die damals als serbokroatisch bezeichnete Sprache ausreichend beherrschten, um problemlos kommunizieren zu können. Da diese Sprache bzw. eine ihrer Varianten auch für die Angehörigen anderer Volksgruppen Pflichtfach in der Schule war, verfügen auch die meisten Frauen, die zu einer nationalen Minderheit gehören und noch zu Zeiten des Gesamtstaates aufgewachsen sind, über gute diesbezüglichen Kenntnisse.

Mißverständnis 2: Serbokroatisch ist eine einheitliche Sprache

  • Was ist aber diese serbokroatische Sprache?
  • Wie unterscheiden sich die verschiedenen Untervarianten?
  • Können sich beispielsweise in Kroaten und Serben untereinander mühelos verstehen?

Diese Frage kann man sich auf zwei Weisen beantworten: Eine wissenschaftliche und eine pragmatischen, leicht verständliche. Wir wollen versuchen, hier beides zu verbinden.

Mißverständnis 3: Serbokroatisch wird/wurde nur in Serbien und Kroatien gesprochen

Das Wort“ serbokroatische Sprache“ ist der Oberbegriff für die verschiedenen Sprachvarianten, die nicht nur in Serbien und in Kroatien, sondern auch in Bosnien und Herzegowina sowie in Montenegro (und außerdem von den entsprechenden nationalen Minderheiten beispielsweise in Mazedonien) gesprochen werden.

Dass man ursprünglich nur die beiden größten Volksgruppen, die sich dieses Mediums bedienen, erwähnte, hatte wohl allein pragmatische Gründe. Deshalb, weil es in Jugoslawien noch andere Sprachen gab, schied ein einheitlicher Oberbegriff – wie man ihn beispielsweise mit „Deutsch“ für all das, was von Bayern bis hoch zur dänischen Grenze gesprochen wird, benutzt wird – aus.

Deshalb verwendete man den Namen der beiden größten Völker für die Bezeichnung der Sprache. Dies möglicherweise auch deshalb, da die Kroaten und Serben diejenigen slawischen Stämme waren, die ab dem siebten Jahrhundert in den Balkan einwanderten. Die Bosnier und Montenegriner haben sich dagegen erst später gebildet. (Was heute noch von vielen Kroaten und Serben bestritten wird, weil man diese Bevölkerungsgruppen nach wie vor zu den eigenen zurechnet. Diesen Ansatz kann man vertreten. Dann wäre aber auch jeder Kowalski oder Katschmarek/Kacmarek, dessen Vorfahren aus Polen in das Ruhrgebiet gekommen sind, noch heute ein Pole.)

Mißverständnis 4: Serbisch und insbesondere Kroatisch sind in sich einheitlich

Zwischen Serbisch, Kroatischen, aber auch Bosnisch und Montenegrinisch liegen keine unüberbrückbaren Welten. Dennoch gibt es verschiedene Unterschiede. Diese liegen mitunter in Details.

Das macht die Darstellung nicht eben einfacher. Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass die Übergänge hier fließend sind und sich nicht an heutigen Landesgrenzen und Geburtsurkunden festmachen lassen. Außerdem gibt es innerhalb der jeweiligen Sprachvarianten Untervarianten mit Besonderheiten, beispielsweise innerhalb des Kroatischen in Dalmatien das Ikawische.(Auch das erklären wir noch weiter unten.)

Mißverständnis 5: Die Unterschiede erlauben es nicht, miteinander zu reden

Unterschiede können unüberbrückbar sein – oder Nuancen, die Vielfalt betonen, ohne zu distanzieren. Deshalb lohnt es sich, diese Unterschiede genauer anzusehen.

Ein Wort zur Schrift (Lateinisch und Kyrillisch)

An dieser Stelle soll nur von der gesprochenen Sprache die Rede sein, da es ja um die mündliche Verständigung geht.

Darüber hinaus gibt es außer der lateinischen auch die kyrillische Schrift. Diese ist in Serbien und in Montenegro im amtlichen Gebrauch. Zeitungen und Bücher werden dagegen auch dort häufig in lateinischer Schrift gedruckt. Früher wurden in den Schulen meist die lateinische und kyrillische Schrift nebeneinander gelehrt.

„Ältere Semester“ beherrschen deshalb meist beides. Seit dem Auseinanderfallen Jugoslawiens wird im Westen das Kyrillische nicht mehr gelehrt. Das führt dazu, dass beispielsweise junge Kroaten kaum die krillische Schrift lesen können, während junge Serben nach wie vor, zusätzlich zu ihrer eigenen kyrillischen Schrift, auch noch die lateinische lernen. Bei der jüngeren Generation herrrscht deswegen eine Asymetrie bezüglich der Kenntnis beider Schriften.

Nun aber zur gesprochenen Sprache: Vereinfacht könnte man sagen, dass vor allem drei Unterschiede zwischen dem gesprochenen Kroatischen und dem Serbischen bestehen.

Unterschied 1 klingt schwierig, ist es aber nicht: Der urslawische Urlaut „jat“ im neuen Gewand

Der eine liegt darin – Achtung, das was jetzt kommt klingt komplizierter, als es eigentlich ist – welche Ausprägung der urslawische Urlaut „jat“ in der heutigen Sprachvariante gefunden hat.

Im Wesentlichen geht es bei diesen mysteriös klingenden Sachverhalt darum, ob man bei bestimmten Worten an bestimmten Stellen ein „e“ verwendet (so genannte Ekawische Variante) oder ein „je“ (so genannte Jekawische Variante).

Einige Beispiele mögen das verdeutlichen:

Während man in Serbien zum Fluss „reka“ sagt, heißt er den meisten Teilen Kroatiens „rijeka„, während die Milch im Serbischen „mleko“ heißt, sagt man im Kroatischen „mlijeko„, ein Kind ist einmal „dete„, einmal „dijete“ usw. und sofort.

Wir sehen: Dies erschwert die Kommunikation nicht unbedingt. Es ist nämlich damit vergleichbar, dass in manchen deutschen Dialekten die Endungen „er“ mehr in Richtung „ä“ ausgesprochen wird, oder der Neigung in manchen bayerischen Diakleten ein „a“ mehr in Richtung „au“ und das „ö“ als „e“ auszusprechen („Haust des g`hert?“)

Dieser Unterschied erschwert also die Kommunikation keineswegs.

Im übrigen sind, wie schon gesagt, die Grenzen fließend. So wird die jekawische Variante nicht nur in Kroatien, sondern auch in Bosnien und Herzegowina sowie in Montenegro gebraucht. Deshalb sprechen Serben, die in Bosnien leben, auch Jekawisch und sind zumindest insoweit dem Kroatischen näher als dem Serbischen.

Umgekehrt wird nicht in allen Gebieten Kroatiens Jekawisch gesprochen. Insbesondere in Dalmatien wird nämlich dass Ikawisch gesprochen. Dort würde man für die eben genannten Beispiele „rika„, „mliko“ und „dite“ sagen.

Unterschied 2: Brötchen, Rundstück, Kipferl, Wecken (oder: Drehflügler, Radhof und Ziehfahrzeug)

Der zweite Unterschied ist im lexikalischen Bereich, also im Bereich des Wortschatzes.

Man kann das ungefähr mit den verschiedenen deutschen Worten für ein Teigprodukt, das kleiner ist als ein Brot, vergleichen: Hier wird ja neben Brötchen lokal unterschiedlich auch eine Vielzahl von Ausdrücken, von Kipferl über Wecken oder Semmel bis hin zum Rundstück, gebraucht.

Zuzugeben ist, dass es solche lexikalischen Unterschiede innerhalb des Serbokroatischen wesentlich häufiger gibt als im Deutschen:

So gibt es unterschiedliche Worte für Brot (hleb, hljeb, kruh), für Zug (voz, vlak) und für Flughafen (aerodrom, zračna luka). Manche, wie die eben erwähnten, sind tatsächlich vollständig andere Wörter. Teilweise sind sich aber die verschiedenen Varianten sehr ähnlich. So sagt man für „Herr“ einmal „gospodin“ und einmal „gospon“ für „hinsichtlich“ einmal „u pogledu na“, ein ander mal „glede“.

Zumindest für jemanden, der die Sprache als Außenstehender gelernt hat und, vorurteilsfrei an die Sache herangeht, stellt dies alles kein großes Kommunikationshindernis dar:

Die gebräuchlichsten Unterschiede hat man meist bereits im passiven Wortschatz. Und bei anderen Worten kann man ja nachfragen. Oft ist nicht einmal dies notwendig weil sich die Bedeutung eines unbekannten Wortes aus dem Zusammenhang ergibt. Hinzu kommt, dass insbesondere im Kroatischen viele Worte (bei denen es sich teilweise um Neuschöpfungen, die nach der Unabhängigkeit in den 1990-er Jahren entstanden sind, handelt) auch den Gegenstand, für den sie verwendet werden, beschreiben. Ein Hubschrauber ist so ein „Luftdreher“ (vrtolet), der Bahnhof (kolodvor) ist wörtlich rückübersetzt ein „Radhof“ und zračna luka (Flughafen) entspricht wörtlich einem „Lufthafen“ bzw. „luftigem Hafen“.

Auch dies erschwert also die Kommunikation kaum.

Hinzu kommt außerdem, dass es auch hier wieder innerhalb der verschiedenen Untervarianten keinen einheitlichen Wortschatz gibt.

Dies insbesondere deshalb, da in unterschiedlichen Gegenden des Landes bedingt durch die historischen Ereignisse unterschiedliche Fremd- und Lehnworte übernommen wurden. So findet man beispielsweise in Bosnien, aber auch in Serbien, viele türkische Lehnwörter, während an der kroatischen Adriaküste Entlehnungen häufig aus dem Italienischen, und in Binnenkroatien sowie in der Vojvodina aus dem Deutschen erfolgen. (Beispiele hierfür sind Štrand, špajz – für einen Raum zur Aufbewahrung von Nahrungsmittel – und escajg, das für Besteck steht.)

Verstehen Sie folgenden Satz:

     Ich fahre zum Ljufthafen mit dem Ziehfahrzeug, weil dort mein Ljuftdreher stjeht?

Wenn Ihnen dieser keine großen Probleme bereitet, sollten Sie eigentlich auch, zumindest nach einiger Zeit, in der Lage sein, die verschiedenen Sprachvarianten des Serbokroatischen zu verstehen, wenn Sie sich einmal gründlich in eine davon eingearbeitet haben.

Unterschied 3: „Ich möchte, dass“ oder „Ich möchte zu“

Bleibt noch eine dritte Gruppe von Unterschieden.

Diese betrifft die Vorliebe für den Gebrauch grammatikalischer Formen, die logischerweise gleichermaßen möglich sind.

Auch das ist in der Praxis sehr einfach: Während man in Belgrad der Bedieniung im Lokal sagt: „Ich möchte, dass ich zahle“ sagt man in Zagreb „Ich möchte zu zahlen„.

Zwischenergebnis

Wir sehen also: Das sind alles keine großen Unterschiede, die die Verständigung deutlich erschweren. Das selbe gilt auch für weitere Unterschiede, die wir der Einfachheit halber nicht näher ausgeführt worden. Beispielsweise neigen die Montenegriner, anders als ihre Nachbarn, dazu am Ende des Wortes zu betonen, statt am Anfang.

Außerdem haben die Montenegriner neuerdings zwei neue Buchstaben ( ź und ś ) eingeführt, mit denen sie sprachliche Besonderheiten abbilden, die allerdings nur bei wenigen Wörtern zum Tragen kommen. So sagen sie für „morgen“ nicht „sutra“ oder „sjutra“ sondern „śutra“. Und „wo“ ist nicht „gde“ oder „gdje“ sondern „đe„. Die objekte Schwierigkeit, dies zu verstehen, wenn man eine andere Sprachvariante spricht, liegt weit unter derjenigen, die sich einem Hannoveraner stellen, wenn ihn ein Oberpfälzer mit den Worten „Wau is`da Bahnhuf“ nach dem Weg fragt.

Am Beispiel des Hannoveraners und des Oberpfälzers lässt sich auch erklären, warum oben mehrfach von „objektiv“ die Rede war. Ob sich ein Oberpfälzer und ein Hannoveraner verständigen können, liegt häufig auch an deren guten Willen. Wer sich von vorneherein dagegen sperrt, den anderen zu verstehen, wird ihn auch nicht verstehen.

Ländliche Dialekte sind darüber hinaus eine guter Anlass, um auf einen anderen Umstand hinzuweisen: Es gibt hier wie da Gegenden mit einem sehr eigentümlichen Idiom, das anderen wirklich Schwierigkeiten beim Verständnis macht. Dazu gehört das Kajkavski, das in der kroatischen Zagorje gesprochen wird. Dies ist aber kein Beleg dafür, dass man sich unter den verschiedenen Nationen nicht verständigen könnte.

Ein (kroatischer) Zagreber wird nämlich ähnliche Probleme haben, jemanden aus der (kroatischen) Zagorje zu verstehen wie jemand aus dem serbischen Belgrad. Und in jedem Falle dürfte ein Zagreber einen Belgrader leichter verstehen als seinen eigenen Landsmann aus der Zagorje. (Übrigens hat die Internationale Organisation für Normung – International Organization for Standardization, kurz: ISO, kroatischen Presseberichten zufolge kürzlich einen eigenen Sprachcode für das Kajkawische eingeführt. Es wird also nicht mehr als Dialekt des Kroatischen behandelt.)

Entwicklungen seit den frühen 1990-ern

Soweit zur Situation bis zum Auseinanderbrechen des Staates.

Junge Staaten haben gerne etwas Eigenes

Seither hat sich im Zuge der politischen Ereignisse auch in sprachlicher Hinsicht einiges verändert. Junge Staaten neigen dazu, sich von anderen abzugrenzen. Sie brauchen auch Symbole ihrer Eigenstaatlichkeit. Sprache kann ein solches Symbol sein. (Muss aber nicht, dass zeigt der Umstand, dass man in Österreich die eigene Sprache ebenso problemlos als „Deutsch“ bezeichnet, wie man in den USA die dortige – trotz des Umstandes, dass man sich vom britischen Kolonilareichen erst ablösen musste – „Englisch“ nennt.)

Deshalb spricht man seit dem Auseinanderfallen Jugoslawiens in der Region selbst nicht mehr von der serbokroatischen Sprache, sondern leitet die Bezeichnung für die jeweilige Sprachvariante vom eigenen Staatsnamen ab. (In Bosnien ist das allerdings etwas komplizierter. Dort hämlich ist neben Bosnisch auch noch Kroatischen und Serbisch Amtssprache. Das hier näher zu erläutern würde jedoch zu weit führen.

Mit der Bezeichnung der Sprache als jeweils exklusiv eigene endet das Streben nach linguistischer Unabhänigkeit jedoch noch nicht. Man versucht sich auch durch Betonung und Ausbau der Eigenheiten der eigenen Variante bzw. von deren Unterschied zu den anderen Varianten von den Nachbarn abzugrenzen.

Früher wollte man vereinheitlichen

Dies wird häufig damit erklärt, dass während der jugoslawischen Zeit eine Vereinheitlichung, genauer eine Serbisierung, insbesondere der kroatischen Sprache stattgefunden hätte, die man nun rückgängig machen wolle, um wieder zur eigenen Sprache in Reinform zurückzufinden.

Dazu ist zu sagen, dass es während der Zeit in einem gemeinsamen Staat sicher Tendenzen zu einer Vereinheitlichung der Sprache gab. Hierbei ist es wohl auch so gewesen, dass das Serbische als die Variante, die von den weitaus meisten gesprochen wurde, einen besonderen Einfluss auf der andern Sprachvarianten hatte. Bezweifeln kann man jedoch, ob diese Entwicklung immer so absichtsvoll und zentral gesteuert vor sich ging, wie dies nach Auffassung mancher der Fall gewesen sein soll.

Außerdem war die Vereinheitlichung der Sprache bereits ein Anliegen der Südslawischen Bewegung im 19. Jahrhundert.  Und den „Wiener Schriftsprachenvertrag“, in dem unverbindliche Regeln für eine solche Vereinheitlichkeit festgelegt wurden, unterzeichneten zwei serbische Linguisten (Vuk Stefanović Karadžić und Đuro Daničić), ein Slowene (Franc Miklošič), aber fünf Kroaten ( Ivan Kukuljević Sakcinski, Dimitrije Demeter, Ivan Mažuranić, Vinko Pacel und Stjepan Pejaković). Historisch gesehen ist die Anpassung der verschiedenen Sprachvarianten im schriftlichen Bereich, bei der man sich übrigens auch an Deutschland orientierte, also eine Sache, die in allen Volksgruppen Anhänger hatte.

Neuschöpfungen oder Rückgriffe ?

Darüber hinaus lässt sich auch bei einigen seit den neunziger Jahren neu im Kroatischen aufgetauchten Worten belegen, dass es sich bei ihnen keineswegs um Rückgriffe auf früher durchweg verwendete Worte handelt. Ein Beispiel ist der Versuch, den angeblichen Serbismus helikopter (eigentlich ein griechisches Wort) durch ein eigenes kroatisches Wort zu ersetzen. Hierbei griff man auf die, zumindest den sonstigen slawischen Sprachen fremden Technik der zusammengesetzten Hauptwörter zurück. Der erste Versuch, den helikopter durch vrtolet (Drehflügler) zu ersetzen scheiterte, so dass man als nächstes den Begriff zrakomlad (Luftpaddler) ins Rennen schickte.

Und auch das heute durchwegs als eindeutig kroatisch geltende Wort tisic für tausend scheint keineswegs immer die Form gewesen zu sein, die nationalgesinnte Kroaten gegenüber dem „serbischen“ hiljada bevorzugten. Im kroatisch dominierten Teil der Herzegowina findet sich in der Stadt Livno nämlich ein Denkmal zum 1000-jährigen Kronjubiläum von König Tomislav. Dort aber ist ausdrücklich die Rede, dass die „Kroaten aus den Dörfen und der Stadt Livno“ – allesamt sicher nationalbewusste Menschen – diese Denkmal aus Anlass des „hiljadu-godišnjice“ errichtet hätten.

Die „unserische Sprache“ als pragmatische Lösung im Alltag

Im Alltagsleben gehen viele Muttersprachler einer Positionierung in der Sprachenfrage übrigens dadurch aus dem Weg dass sie schlicht von „unserer Sprache“ (naš jezik) oder salopp vonUnserisch“ (nki) sprechen. So vermeidet man etwa Angehöriger einer Volksgruppe mögliche Peinlichkeiten, wenn man einen Unbekannten, von dem man vermutet, dasss er dieselbe Sprache spricht, aber nicht weiß, ob er der eigenen oder einer anderen Volksgruppe angehört,  nach seiner Sprache fragt. Man fragt in diesen Fällen nämlich nur: „Sprechen Sie unserere Sprache? (Govorite li naš jezik).

Fazit

Es gibt es verschiedene Theorien dazu, wann eine Sprache eine Sprache ist. Dabei spielt auch das Verständnis derjenigen, die sich eines Idioms bedienen, ein Rolle. Dies sollte man berücksichtigen und respektieren.

Heute spricht man an den deutschen Slawistischen Fakultäten übrigens nicht mehr von „Serbokroatisch“, sondern von BKS (Bosnisch-Kroatisch-Serbisch).

Objektiv gesehen sind die Unterschiede zwischen den in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Serbien geprochenen Varianten dessen, was man früher als Serbokroatisch bezeichnete, meist geringer als zwischen englischem und amerikanischem Englisch.

Als Ausländer, der der örtlichen Sprache mächtig ist, wird man in Bosnien gefragt, woher man Bosnisch könne, in Kroatien wird dieselbe Frage bezüglich des Kroatischen, im Montenegro bezüglich des Montenegrinischen und in Serbien bezüglich des Serbischen gestellt. Obwohl man hier wie dort dasselbe spricht.

Wer also Lust hat, (eine) diese(r) Sprach(variant)e(n) zu erlernen, sollte sich also nicht abhalten lassen. Es sind/ist nicht die einfachste(n) Sprache(n) . Wer aber eine davon lernt, der kann sich hinterher, je nach Zählung, auf drei bis vier Sprachen verständlich machen. Das ist doch was!

Hvala na pažnji!

(BKS-einheitlich für: Danke für die Aufmerksamkeit)

 

 

 

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