Geisterschiff „Jugoslawien“ wiederaufgetaucht – in Düsseldorf

Jugoslawien ist ein Geisterschiff: Obwohl es schon längst untergegangen ist, taucht es ab und zu wieder auf. Und macht dann gewaltigen Eindruck.

Eine solche Sichtung des Geisterschiffes „Jugoslawien“ gab es am Samstag, dem 25 Februar 2023 in der Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf zu vermelden. Dort trat Bijelo Dugme, die bekannteste und umsatzträchtigste Band des ehemaligen Jugoslawiens, vor geschätzt mehr als 5000 Zuhörenden auf.

Wir wollen exakt sein: Eigentlich traten der Gitarrist und zwei der ehemaligen Sänger mit neun Begleitmusikern auf. Goran Bregović, Mastermind hinter den sporadischen und umsatzstarken Wiedervereinigungen der Band ( und allen Anschein nach auch Inhaber des Bandnamens) hat es nämlich vorgezogen, statt einer klassischen Rockrhythmusgruppe aus Schlagzeug und Bass ein Balkan-Bläser-Ensemble und einen traditionellen Balkantrommler zu engagieren.

Die Songs bekommen dadurch ein folkloristisches Gewand, man muss aber auch unwillkürlich an das Trompetenfestival in Guca denken. Salopp gesprochen werden die Bijelo Dugme-Songs also „serbisiert“, was eigentlich dem gesamtjugoslawischen Image der ursprünglichen Musik widerspricht. Außerdem vermisst man deshalb das ausgefallene und filigrane Zusammenspiels, das die frühere Rhythmusgruppe bei vielen Stücken bot.

Das Publikum störte sich jedoch nicht an diesen Neuinterpretationen. Das musikalische Gewand war auch das einzig Neue, was es zu hören gab. Die Lieder waren alle bereits seit Jahrzehnten, wohlbekannt. Ein neues Lied hätte vermutlich für Verwirrung und Abfallen der Stimmug gesorgt.

Es gab also ein Potpourri aus Hits, von denen die meisten auch heute noch in den verschiedenen Nachfolgestaaten Jugoslawiens tagtäglich im Radio laufen.

Kaum mehr im Radio zu hören ist jedoch der an diesem Abend mit Reggaeanklängen dargebotene Song „Pluni i zapjevaj moja Jugoslavijo“ („Spuck drauf und singe, mein Jugoslawien“), bei dem es aus tausenden von Kehlen ertönte „

“Auf die Beine Jugoslawien,

singe, dass man Dich hört,

wer diesem Lied nicht zuhört,

wird den Sturm zu hören bekommen“

Dieses Lied sollte 1986 in der damaligen Staatskrise Optimismus im Sinne eines Fortbestandes des Vielvölkerstaates vermitteln.

Heute singen es hier tausende, in Deutschland lebende Ex-Jugoslawen.

Und erstaunlich viele junge Menschen mit Wurzeln in den heutigen Nachfolgestaaten, die überhaupt noch nicht geboren waren, als der Staat zerfiel.

Wenn das Geisterschiff wieder am Horizont auftauchen, werden vermutlich wieder soviele begeisterte Zuörer da sein. Einer davon könnte ich sein

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