Partisanenkampf auf dem Balkan: Zwei Bücher zum selben Thema, aber aus sehr unterschiedlichen Perspektiven: Teil I Fotos eines Augenzeugen

Wir stellen hier zwei Bücher vor, die aus sehr unterschiedlichen Perspektiven ein für das sozialistische Jugoslawien prägendes Thema, nämlich den Partisanenkrieg, behandeln. Das erste ist ein Bildband dessen Titel in der Übersetzung „Album mit Fotografien aus dem Volksbefreiungskrieg 1941-1945“ lautet. Aufgenommen hat die Fotos General Savo Orović

Leider findet sich in dem Buch keine Jahresangabe, Deshalb können wir zu den bibliografischen Angaben nur sagen, dass Herausgeber das militärhistorische Institut der jugoslawischen Volksarmee war und das Unternehmen „Jugoslavija“ den Band herausgegeben hat. Wir schätzen, dass das irgendwann in den 1950ern gewesen sein muss..

Im Vorwort schreibt der Tito-Vertraute Vladimir Dedjer, dass es kaum Fotos vom Volksbefreiungskrieg gäbe und die Aufnahmen von General Savo Orović, der seine Einsätze in Montenegro, in der Herzegowina, Sandzak, Bosnien, Dalmatien, in der Lika, in Kordun und der Srem dokumentiert hat, deshalb besonders bedeutungsvoll seien. Weiter wird die menschliche Größe der Kämpfe bei der 5. Offensive hervorgehoben,

Auf der nächsten Seite wird der Partisaneneid zitiert:

Mi, narodni partizani Jugoslavije, latili smo se oružja za nemilosrdnu borbu protiv krvoločnih neprijatelja koji porobiše našu zemlju i istrebljuju naše narode. U ime slobode i pravde našeg naroda zaklinjemo se da ćemo disciplinirano, uporno i neustrašivo, ne štedeći svoje krvi i živote, voditi borbu do potpunog uništenja fašističkog osvajača i svih narodnih izdajnika

Wir, die Partisanen Jugoslawiens, haben die Waffen für den unerbittlichen Kampf gegen die blutrünstigen Feinde, die unser Land versklaven und unser Volk ausrotten, in die Hand genommen. Im Namen der Freiheit und Gerechtigkeit unseres Volkes schwören wir, dass diszipliniert, hartnäckig und furchtlos, ohne an unserem Blut und unserem Leben zu sparen, den Kampf zur totalen Zerstörung des faschistischen Eroberers und aller Volksverräter führen werden..

Tod dem Faschismus, Freiheit dem Volk!

Abgesehen von dem Vorwort und diesem Eid enthält das Buch an Text nur noch Bildunterschriften mit meist kanppen Informationen zu den abgebildeteten Personen, dem Aufnahmeort und -datum. Trotz der Kürze enthalten sie einige interessante Informationen. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass es ebi den kommunistischen Partisanen einen islamischen Feldgeistliche (amtlich: „muslimischer Glaubenreferent der 1. proletarischen Division “ genannt) gab?

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Das Buch beginnt – wie könnte es auch anders sein – mit einem Bild von Tito. Während einer Gefechtspause studiert er eine Landkarte. Was wir sehen ist ein gepflegter Herr in mittleren Lebenjahren mit Brille, der entspannt im Gras liegt. Von unserem Großvater gibt es ähnliche Bilder, die bei Wochenendausflügen in den 1950ern aufgenommen wurden.

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Nicht nur auf diesem Bild erscheint der Krieg weit entfernt. Auch andere wirken mehr wie Gruppenfotos von einem Betriebsausflug.

Besonders angetan hat es uns ein Bild, das den späteren Dissidenten Milovan Đilas zusammen mit Marko Vujačić zeigt. Đilas, den wir bei uns als Intellektuellen abgespeichert haben, kommt darauf als urwüchsiger Montenegriner in Volkstracht und mit typischer Kopfbedeckung daher.

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links: Milovan Djilas

Ein Großteil der Bilder zeigt prominente Widerstandskämpfer, die artig für die Kamera posieren. Andere Bilder zeigen Landschaften, die Schauplätze kriegerischer Auseinandersetzungen waren sowie Truppen auf dem Marsch oder beim Transport auf Schiffen an der Adria.

Einige wenige zeigen die Schrecken des Krieges:

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Eine verwischte Fotografie eines Arztes während einer Notoperation, die Leichen jugoslawische Zivilisten liegen in den Trümmern von Häusern, die von Deutschen bombardiert wurden und diejenigen von toten italienischen Soldaten treiben in den Wellen der Rama in der Herzegowina

Auch Fotos von Knaben in Partisanenoutfit, mit Gewehr und Handgranate am Gürtel fehlen nicht. Hier werden sie Pioniere genannt. Genau besehen sind es jedoch Kindersoldaten.

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Seit wir die Tragikomödie Mirko und Slavko, in der Kinderpartisanen – von denen einige im Verlauf der Handlung sterben, darunter auch der Kleinste von allen – gegen die deutsche Besatzungstruppen kämpfen, gesehen haben, können wir solche Bilder nicht mehr leichten Herzens ansehen.

Breiten Raum nimmt auch das Lagerleben ein. Besonders ins Bild gerückt werden hierbei die Schreibmaschinen, mit deren Hilfe Kampfpausen schriftliche Befehle, Appelle aber auch politische Schriften verfasst wurden. Beim Betrachten lernt man, dass Partisanenkampf ein Stück weit auch Verwaltungstätigkeit und Agitation ist.

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Dass diese Art des Kriegsführung auch von der Unterstützung der Bevölkerung abhängt, machen Bilder von demonstrierenden Zivilisten deutlich.

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Besonders angesprochen haben Bilder von Orten, an denen wir selbst schon waren, beispielsweise Ostrelj, von wo aus Tito eine Zeit lang von einem abgestellten Eisenbahnzug aus die Kampfhandlungen koordinierte,

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der Blick von der Höhle oberhalb von Drvar oder die zerstörte Eisenbahnbrücke über die Neretva.

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Wir haben auch über den Autor recherchiert. Der hat noch weitere Erinnerungen über seine Zeit als Partisan verfasst und es wurden Straßen nach ihm benannt. Später fiel er jedoch politisch in Ungnade und wurde vorzeitig in Ruhestand geschickt. Die letzte Information über ihn verdanken wir dem CIA, der inzwischen seine diesbezügliche Akten geöffnet und im Internet zugänglich gemacht hat.

Nach dieser Darstellung des Patisanenkampfes aus der „Innenperspektive“ stellen wir in der nächsten Folge eine „Außenbeobachtung“ vor, ein österreichisches „Truppendienst Taschenbuch“ mit dem Titel „Partisanenkampf am Balkan“ Geschrieben wurde es in den 1970ern auch mit dem Blick auf möglich militärische Auseinandersetzungen, in die Jugoslawien noch verwickelt werden könnte.

Diese Fortsetzung findet sich hier.

2 Kommentare zu „Partisanenkampf auf dem Balkan: Zwei Bücher zum selben Thema, aber aus sehr unterschiedlichen Perspektiven: Teil I Fotos eines Augenzeugen

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  1. Sehr geehrter, lieber Dr. Clauss, herzlichen Dank für die netten Worte zur Website und die Erläuterung zu dem Buch. Den Vergleich mit „Mein Kampf“ finde ich, nicht nur was die Auflagezahl angeht, etwas schief. Auch kenne ich viele Ex-Jugoslawen, die heute ihre gesammelten Werke Titos im Bücherschrank stehen haben, aber dieses Buch habe ich dort noch nicht gesehen. Deshalb wäre ich über weitere Aufklärung dankbar. Beste Grüße Stefan Pürner

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  2. Nach Auskunft von Mario Peronja, ehemaliger Vorsitzender der ArGe-YU, gab es dieses wohl Ende der 1940er Jahre publizierte Buch als Millionenauflage, quasi, wie 1933-1945 „Mein Kampf“ in jedem Haushalt des Landes. Trotzdem ist das Buch heute selten, da die allermeisten Bewohner des ehemaligen YU mit diesem Staat nichts mehr zu tun haben wollen (Ausnahmen sind einige Serben, die bis1960 geboren wurden). Ich finde es beachtlich und lobenswert, wie die Website dieses und das andere Buch zu dieser Thematik aufbereitet publiziert hat, und ich wünsche dieser gelungenen Präsentation viele Leser.
    Dr. Jan U. Clauss, Vorsitzender er ArGe-YU, Bonn-Bad Godesberg

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