Slowenien: Barock, Beamten, brauner Kaffee (Jugoslawien auf Schusters Rappen 1939 Teil II)

In der Rubrik „Jugoslawien auf Schusters Rappen“ laden wir Sie zu einer Reise (meist) zu Fuß durch das Jugoslawien der ausgehenden 1930er Jahren aus der Sicht von neugierigen Nordeuropäern ein. Dadurch entsteht gleichzeitig eine Bestandsaufnahme des unterschiedlichen Alltagslebens in den verschiedenen Gebieten des Königreichs Jugoslawiens kurz vor seiner Auflösung im Zweiten Weltkrieg und vor der Wiedergründung des südslawischen Staats unter ganz anderen politischen Vorzeichen nach Kriegsende. Basis dieses Berichtes ist das Buch „Die goldene Triangel“ von Pieter Vervoort aus dem Jahr 1941.

Bei der Lektüre des Buches wird der Kontrast zwischen den verschiedenen jugoslawischen Staaten sehr deutlich. „Pesme su tuznije sto si juznije“ („Je weiter man in den Süden kommt, desto trauriger werden die Lieder“) sagt man in Jugoslawien. Dieser Nord-Süd-Gegensatz (der auch ein West-Ost Gegensatz ist) wird auch in diesen Erzählungen deutlich.

Slowenien, in das die beiden mit der Eisenbahn einreisen, erscheint aufgeräumt und kultiviert. Sogar der Zollkontrolleur im Zug ist so nett, dass ihn der Autor gar nicht als solchen erkennt.

Bei der Beschreibung von Ljublana wird der schwärmerische Stil des Autors sehr deutlich:

Ljubljana_-_Stari_trg_-_Valvasorjeva_hiša
Bildquelle: Žiga, Wikicommons ( https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=732397)

Ich schreite durch die Straßen dieser Stadt und spreche ihren Namen im Singsang leise lulend vor mich hin. Zu alten, schönen Hauseingängen stecke ich meinen Kopf hinein… ; zur bleigefassten Butzenscheibe eines ehrwürdigen Palastes schaue ich und tief in die Augen der blonden Slowenin hinein. Ljubljana…

Wie hell und freundlich hier die Straßen sind! Die großen, festlich breiten, wo das Leben pulst und am Abend tuasend Lichter gleißen!

Ljubljanica_01
(Bildquelle: Mihael Grmek – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16850192)

Und nach den architektonischen Vorzügen werden die intelektuellen hervorgehoben:

(Die Stadt ) birgt nicht nur Barock und sichtbare Züge (aus der öserreichischen Zeit) in ihrem äußeren Antlitz, nein Prägung eines inneren Gehaltes. Slowenien brachte, den blutsverwandten, benachbarten Ländern Kroatien und Dalmatien gleich, dem jungen Königreiche Jugoslawien ein reiches Erbgut mit; ein geistig und sittlich hohes Beamtentum. Aufgewachsen in Pflichttreue und Verantwortung durch Generationen hindurch, in hervorragenden Schulen gebildet, unbestechlich dank einer guten Besoldung und als ein besonderer Stand geachtet und geschätzt, ausgezeichnet durch einen hohen Ehrbegriff…

Im dieser Beamtenschaft sieht Vervoort ein wesentliches Plus für die Entwicklung des gesamten Königsreiches, wobei eine gewisse kulturelle Überheblichkeit mitschwingt:

Da bedeuten die Beamten aus Slowenien und Kroatien in der Tat die ersten Stützen und Bauleute dieses großen, noch sehr jungen Staatsgebietes, die waren Kulturträger im Lande.

Solche gesellschaftspolitischen Ausflüge und Mutmaßungen erlaubt sich der Autor jedoch nur gelegentlich. Meist konzentriert er sich auf die ausführliche Beschreibung lokaler kultureller und geographischer Besonderheiten.

Hier fallen ihm in Slowenien vor allem die ausgesuchte Höflichkeit der Bedienungen („Einen Schwarzen der Herr? Oder belieben Kapuziner oder Weiß? … Ah! Der Herr geruhen aus Dänemark zu sein?“) Die Auswahl an Kaffee und die Qualität desselben („Ich koste, ich schlürfe, schließe andächtig die Augen… Gott erhalte Franz den Kaiser!“) und die Trachten der jungen Frauen (denen er überhaupt in allen Landesteilen viel Aufmerksamkeit widmet) sind weitere Punkte, die er hervorhebt. Bezüglich des weiblichen Kopfschmuckes attestiert er Slowenien sogar einen Weltrekord:

Kopfbedeckung_der_Oberkrainer_Tracht,_Slowenien
Quelle: Wkikicommons, Autor: Naturpuur

Wohl nirgends auf der Welt ist ein schönerer Kopfschmuck zu sehen als hierzulande, die hochgewachsenen, blonden Frauen Sloweniens zum Festkleid tragen.

Die Weiblichkeit in Slowenien hat den Autor, trotz mitreisende Ehefrau, so betört, dass er sogar feststellt, dass der Name der Hauptstadt an einen Mädchennamen erinnern würde.

Die nächste Reiseetappe führt nach Kroatien und findet sich hier.

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