Jaice: Erinnerungen an ein starkes, christlich geprägtes Königreich Bosnien

Der Wasserfall ist die älteste Sehenswürdigkeit und war lange vor der Stadt hier. Deshalb ist es logisch, eine Erkundung von Jaice mit ihm zu beginnen. Als nächstes bieten sich die Relikte des mittelalterlichen vorosmanischen Jaice und der osmannischen Periode an.

Lavieren zwischen Mächten und Religionen, aber nur ein Vorname

Ich habe schon einiges über die Geschichte von Jaice gelesen, aber was die Periode vor der osmanischen Eroberung angeht, komme ich immer wieder ins Schleudern, da die Ereignisse so unübersichtlich sind, dass man leicht ein opulentes, mäanderndes Mittelalterepos daraus destillieren könnte. Zu den verwirrenden Elementen gehört ein ständiges Lavieren zwischen anderen Mächten, eine sehr pragmatische Haltung bei der eigenen religiösen Positionierung zwischen bosnischer Kirche, Katholizismus, Orthodoxie und Islam sowie dem inflationären Auftreten des Vornames Stefan/Stiepan, der die Übersicht zusätzlich erschwert. Bitte schon, hier ist eine Kostprobe:

Auch wenn man selbst Stefan heißt: Soviele Vornamensvettern sind dann doch etwas zuviel

Wir versuchen eine lange Geschichte kurz zu schneiden:

Bosnien als Zankapfel der Nachbarn

Bosnien war lange ein Zankapfel: Kroatische und serbische, aber auch ungarische und sogar bulgarische Herrscher versuchten, sich das Gebiet oder Teile davon einzuverleiben. Im 14. Jahrhundert gelangte das bosnische Fürstentum und Königsreich zu einer kurzen Blüte, die eng mit der Stadt Jaice verbunden ist.

König (von fremden Gnaden) mit Unterbrechungen

Zu den vielen Winkelzügen dieser Geschichte gehört beispiesweise, dass König Stefan Tvrtko II, ein Sproß der bosnischen Dynastie Kotromanic, zwei Mal König war, zuerst von 1404 bis 1409 und dann von 1420 bis 1443.

Das erste Mal wurde er von einigen bosnischen Adelige auf den Thron gehoben, um seinem Onkel Ostoja zu ersetzen, weil dieser begann, sich zu unabhängig vom Adel zu machen. Fünf Jahre später gelang es dann Ostojas Sohn (natürlich ebenfalls ein Stijepan/Stefan) Tvrtko II vom Thron zu drängen. Tvrtko II ging ins innere politische Exil und kam elf Jahre später als Schützling der Osmanen auf den Thron zurück. Der Umstand, dass er die Oberherrschaft des Sultans dadurch anerkannte, dass er diesem die Kopfsteuer (Harač) zahlte, hinderte ihn jedoch nicht, zugleich auch ungarischer Vasall zu werden. (Kein Einzelfall. Sein serbischer Quasi-Amtskollege Despot Djuradj Brankovič machte es genauso.)

Damit war die Herrrschaft jedoch noch nicht gesichert. Auf der Suche nach wirtschaftlich starken Verbündeten gegen die Osmanen bot Tvrtko II im Jahr 1442, ein Jahr vor seinem Tod, sein Königreich der Republik Venedig an, die jedoch nicht interessiert waren.

Tvrtko II hatte nicht nur mit Bedrohungen von außen zu kämpfen, sondern sah sich von 1433 bis 1435 auch mit den Herrschaftsnansprüchen eines Gegenkönigs konfrontiert. Auch die Nachfolger Stjepan Tomaš und Stjepan Tomašević suchten vergeblich sowohl beim Papst wie in Venedig um Unterstützung gegen die Osmanen nach. Ansonsten hatte Stjepan Tomašević gar nicht so schlechte Beziehungen zum Vatikan, so dass er als erster und einziger bosnischer König mit dem Segen des Papstes gekrönt wurde. Was jedoch nicht unbedingt ein Vorteil war, da es den kroatisch-ungarischen König Matthias Corvinus, der eigentlich kraft Amtes die Oberherrschaft über Bosnien hätte haben sollen, verärgerte.

Irgendwann drangen auch die Osmanen weiter in Bosnien vor. Den Anlass hatte ihnen ein Streit zwischen dem nach Unabhängigkeit von Tvrtko II strebenden Herzog Stjepan Vukčić Kosača und dessen Sohn Vladislav Hercegović Kosača, der schon einmal zwischen den Diensten für die Ungarn, Venezianter und Osmanen wechselte.

Für Stjepan Tomašević endete diese osmanische Intervention schlimmer als für die Streithähne, die den Anlass für sie gegeben hatten. Im Jahr 1463 musste er vor den Osmanen aus Jaice nach Ključ fliehen. Dort ergab er sich, da man ihm zugesichert hatte, dass man sein Leben schonen würde. Sultan Mehmed II. ließ ihn dennoch in Carevo Polje enthaupten.

Maria, die Frau von Tomašević endete im Harem eines türkischen Generals. Noch weiter ging die Assimilierung des Bruders von Stjepan Tomašević namens Sigismund Kotromanić. Dieser trat trat zum Islam über, änderte seinen Namen in Ishak-beg Tomašević und wurde ein osmanischer Heerführer.

Was für ein Tableu für ein großes Mittelalterepos!

Und auch heute kann man hier noch Gebäude aus dieser Periode bestaunen. Am eindrucksvollsten die Festung, die eine gute Kulisse dafür gäbe, diese wechselvolle Geschichte zu verfilmen.

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Zu dieser Rubrik:

Wer Anfang August in Bosnien Radio hörte oder Fernsehen sah, hätte denken können, er ist wieder in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er Jahren: Alle Nachrichtensendungen fingen mit dem Familiennamen „Schmidt“ an. Dieses Mal war der Vorname jedoch nicht Helmut, sondern Christian.

Der ehemalige Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft hat seit kurzem das nicht einfache Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina übernommen. Mit diesem Amtswechsel sind dort einige Hoffnungen verbunden.

Deshalb nehmen wir ihn zum Anlass, das Land, das wir kürzlich das erste Mal seit Beginn der Pandemie wieder bereist haben, in einigen Beiträgen vorzustellen. Dabei wollen wir keine historische oder politische Einführung geben, sondern mit kurzen Eindrücken und vielen Bildern Lust machen auf ein europäisches Land, das für viele ein mit negativen Vorzeichen besetztes terra incognita ist. Der Schwerpunkt liegt dabei auf zwei für das Land historisch sehr bedeutenden Städten, nämlich Jaice und Travnik.

Folge 1 finden Sie hier und Folge 2 ist hier.

Sobald eine weitere Folge erscheint, werden wir an dieser Stelle darauf verlinken.

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