Das wahre Woodstock fand in Sarajevo statt
Bald jährt sich das Woodstock-Festival, das als Symbol für die vermeintliche Kraft der Rockmusik gegen Krieg und für „Love & Peace“ in die Geschichte einging, zum 50. Mal. Das wahre Antikriegsfestival fand jedoch 21 Jahre später in Sarajevo statt.
Festival gegen den Krieg vor der Haustür
Der Krieg, gegen den in Woodstock demonstriert wurde, wütete tausende von Kilometer entfernt. In Sarajevo war das 1991 anders, als sich dort Musiker und Zuhörer aus ganz Jugoslawien einfanden, um mit dem Konzert „YU-Tel (YU-Tel – die Abkürzung steht für einen privaten Fernsehsender) za mir“ (für Frieden) gegen den beginnenden Jugoslawienkrieg zu demonstrieren.
Damals ging es um einen Krieg, der vor der Haustür und in der eigenen Stadt herannahte. In Slowenien und Kroatien war es schon zu Kampfhandlungen und in Bosnien und Herzegowina zu Gewalttaten gekommen. Jeder im Publikum und jeder auf der Bühne musste deshalb befürchten, Opfer dessen, was da kommen könnte, zu werden.
Großer Bericht in Nürnberger Nachrichten
Die „Nürnberger Nachrichten“ haben nun in ihrer Samstagausgabe im vielgelesenen Wochenmagazin mit einem Beitrag aus der Feder des Verfassers dieses Blogs an dieses Konzert erinnert.
Herzlicher Dank
Herzlichen Dank an die zuständige Ressortchefin Gudrun Bayer, die mit der Veröffentlichung dieses Beitrags auch dazu beigetragen hat, das in Deutschland wenig bekannte Kapitel der jugoslawischen Friedensbewegung bekannter zu machen.
Diese Bewegung ist vor allem deshalb wichtig, da sie das weitverbreitete Narrativ davon, dass es in Jugoslawien der allseits verbreitete Hass der Bevölkerungsgruppen untereinander gewesen sei, der zum Krieg geführt habe, nachdem Tito dieses Pulverfass nicht mehr unter Kontrolle halten konnte, widerlegt.
Besonders eindrucksvoll an dem Beitrag sind die Fotos von Milomir Kovačević Strašni, einem mittlerweile in Paris lebenden, international anerkannten Fotografen. Strašni hat damals als junge Mann und Zeitzeuge eindrucksvolle Bilder vom Leben der Zivilbevölkerung vor und während des Krieges sowie danach fotografiert.
Ihm – und Amna Popovac, einer politischen und unternehmerischen Aktivistin aus Mostar, die den Kontakt zu Strašni hergestellt hat – an dieser Stelle ein herzlicher Dank!
Vergebliche Gesänge blieben dennoch nicht ganz folgenlos
In Woodstock riefen eine halbe Million Menschen „No rain“- und es regnete weiter.
Auch das Lied über die Kraft der Liebe, die „keine Nationalitäten kennt und nicht verlangt, dass man für sie stirbt“, das in Sarajevo ca. 70 000 Kehlen sangen, konnte das, was es aufhalten wollte, nicht stoppen. Dennoch war das Festival nicht vergeblich, da es heute noch eindrucksvoll belegt, dass „die Jugoslawen“ oder „die Balkanvölker“ nicht durch ihre Historie quasi genetisch auf Krieg geeicht sind.
Das man auch heute noch in Jugoslawien Rockmusik mit Frieden verbindet, sieht man dieser Tage auch in Glamoč, einer Kleinstadt in Bosnien und Herzegowina, die während des Krieges schwer gelitten und sich bis heute noch nicht von den damaligen Ereignissen erholt hat.
Dort wird seit einigen Jahren immer Ende Juli ein Rockfestival veranstaltet, für das mit dem Peace-Zeichen geworben wird.
Wir kamen leider erst am Tag danach an. Noch im Nachhinein zeugten Hinterlassenschaften von Biersixpacks der Marken „Karlovacko“ aus Kroatien und von „Jelen“ aus Serbien jedoch davon, das Rock im ehemaligen Jugoslawien nach wie vor die Ethnien verbinden kann.
Deutschsprachige Internetseite zum Thema
Wer mehr über das Konzert in Sarajevo erfahren möchte, findet Erlebnisberichte von damals auch in deutscher Sprache auf der Internetseite des (nach der Veranstaltungshalle benannten) „Zetra-Projekts“.
Kommentar verfassen