Der Heilige Tempel des Titoismus (AVNOJ 1943, Jaice)

Dies ist der nächste Teil unseres Berichts über eine Reise nach Bosnien.

Bald danach sind wir wieder nahe bei unserem Ausgangspunkt, den Wasserfällen. Dieses Mal aber führt uns unser Weg in die andere Richtung zum Museum der 2. Sitzung des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens

Wie in der Felsenkirche ist die Zahl der Besucher hier erheblich geringer als bei dem tosenden Wasserspektakel und der erhabenen Burg. Was schade ist, da einen auch hier der Hauch der Geschichte umweht. Der Versammlungsraum ist im Oiginalzustand restauriert und erlaubt ein Eintauchen in die damaligen Verhältnisse und den seinerzeitigen Zeitgeist.

Bilder von der beschwerlichen Anreise der Delegierten und ein Kachelofen, der offensichtlich den ganzen Saal heizen sollte, erlauben einen Einblick in die damaligen Lebensverhältnisse.

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Streng hierarchisch aufgestellte und sehr unterschiedlich ausgestatte Sitzgelegenheiten geben Einblick in die strenge Hierarchie, die entgegen aller klassenloser Attituden hier herrschten.

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Und die Lobeshymnen auf Stalin, den Genossen Tito sowie die Verbündeten auch in Großbritannien und in den USA machen die fast religiöse Verehrung sehr zweifelhafter historischer Gestalten und den ideologischen Zwiespalt, in dem man das eigene Überleben, aber auch den politischen und persöniche Führungsanpruch sichern wollte, deutlich.

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Zu lesen waren da Tod dem Faschismus, Freiheit dem Volk (Smrt fašizmu-sloboda narodu) Es lebe der Antifaschistische Rat der nationalen Volksbefreiung Jugoslawiens(Živjelo Antifašističko vijeće narodnog oslobođenja Jugoslavije) Es lebe die Rote Armee Živjela Crvena armija, Es lebe unsere heldenhafte Volksbfrreiungsarmee. (Živjela naša junačka narodnooslobodilačka vojska)

Außerdem zierten die Wände verschiedenen Fahnen und Porträts von Lenin, Marx, Engels, Tito und Roosevelt. Schöpfer dieser Dekoration war Đorđe Andrejević Kun, ein Künstler mit deutscher Großmutter, der bereits 1931 das heute noch in Gebrauch befindliche Belgrader Stadtwappen entworfen hatte und später das künftige Staatswappen der SFRJ entwarf.

Dank einer bosnischen SIM-Karte betreiben wir auf Wikipedia etwas alternative Informationssuche zur Abrundung der hiesigen Informationstafeln. Dabei erfahre ich, dass man Delegierte aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Serbien und Slowenien sowie aus dem Sandzak und der Vojvodina eingeladen hatte. Mazedonien, das den Status einer Republik im Nachkriegsjugoslawien bekommen sollte, konnte jedoch keine Delegierten entsenden.

Maßstab für die Zahl der Abgesandten war übrigens die nationale Zusammensetzung der Partisaneneinheiten. Je mehr Partisan*innen eine spätere Teilrepublik stellte, desto mehr Delegierte durfte sie entsenden.

Letzeres ist nachvollziehbar ist, macht aber gleichzeitig auch deutlich, dass der Antifaschismus als exklusive Angelegenheit der Partisanen angesehen wurde. Womit in der Wahrnehmung der künftigen Machthaber alle anderen politischen Gruppen im Lande automatisch zu „Nicht-Antifaschisten“ wurden, was sich leichter aussprechen lässt, wenn man die Wörter „Nicht“ und „Anti“ gegeneinander aufhebt.

Auch ein Hauch moderner Museumspädagogik fehlt nicht an dieser Wahlfahrtsstätte einer Religion, die durchaus noch ihre Anhänger hat. In einem Nebenraum sind bunte Poster ausgestellt, auf die Schüler alte patriotische Narrative in ihrer Bildsprache darstellen und bekannte Motive in Collagen- und Mixtechnik neu entstehen lassen.

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Für die eher einfachen Gemüter gibt es eine Auswahl von Titobildern als Magneten für den Kühlschrank, dem Haushaltsgerät, das sich am leichtesten mit dem Biotop in Verbindung bringen lässt, in dem Tito gedeihen konnte: dem Kalten Krieg.

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Vor dem Gebäude dann noch die Statue eines ältern Herren, der uns irgendwie bekannt vorkommt, den wir aber länger nicht mehr gesehen haben: Moša Pijade, eine von vielen schillernden Figuren der jugoslawischen Geschichte, in deren Biografie hohe politische Ämter ebenso vorkommen wie Gefängnisaufenthalte wegen kommunistischer Betätigung, Führungsfunktionen in Partisaneneinheiten, bezüglich deren später der Verdacht erhoben wurde, dass sie auch vor Übergriffen auf Zivilisten und Familenangehörige politischer und militärischer Gegner nicht halt gemacht hätten. Außerdem agierte er als Publizist und Übersetzer unter anderem von „Das Kapital“ und des kommunistischen Manifests.

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Keine einfache Aufgabe, sich ein Urteil über einen solchen Menschen und seine Biografie zu bilden.

Ich entziehe mich dieser Aufgabe, indem ich meine Aufmerksamkeit einem wesentlich einfacher zu bewerteten Relikt der jugoslawischen Eisenbahngeschichte, das auf der gegenüber liegenden Seite des Ausgangs des Museums steht, widme. Dazu mehr in der nächsten Folge dieser Rubrik, in der wir auch auf den Spuren eines einst bedeutenden Bahnhofs wandeln werden.

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