Ein Gewehr – zusammen mit dem Namen bekannter deutscher Technik-Firmen – als Blickfang eines Elektroartikelgeschäfts? Wo liegt da der Zusammenhang?
Das Schaufenster befindet sich in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica. Also in einer Gegend mit reichlich kriegerischer Vergangenheit. Das könnte ein Grund sein. Andererseits: Braucht es einen Grund für eine solche krude Kombination? Autroreifen haben ja mit halbnackten Frauen auch kaum etwas zu tun – außer dass beide offensichtlich für Männer eines bestimmten Alters sehr wichtig sind.
Ein kleines Museum im Schaufenster
Meine Aufmerksamkeit wurde aber nicht durch die Waffe, sondern durch die sonstigen Exponate in dem Schaufenster geweckt: Eine Ansammlung von Radio- und Fernsehgeräten, die anderswo als solider Grundstock für ein kleines Museum dienen würden, aber hier einfach so hinter verstaubten Fensterscheiben in der Morgensonne garen.
Das flache batteriebetriebene Transistorgerät, das in der linken Reihe über den drei Röhrenradios verschiedener Generationen thront, ist das modernste Stück in dieser Ausstellung und war zu seiner Zeit das Nonplusultra des ortsunabhängigen Musikhörens.
„Ortsunabhängiges Musikhören“ hieß damals (nur), dass man Musik auch fernab jeder Steckdose hören konnte. Es bedeutete jedoch keinesfalls, dass man auch darüber entscheiden konnte, welche Musik man hören wollte.
Geräte, die auch das konnten wurden, erst mit dem Walkman für jedermann erschwinglich. Wobei sie – aus heutiger Sicht – immer noch ein Manko hatten: Man musste nämlich die Musik, die man unterwegs hören wollte, körperlich mitnehmen, d.h. in relativ raumgreifender Form dabei haben. Irgendwann hatte ich auch mal einen Walkmann, aber irgendwie habe ich zu ihm nie eine richtige emotionale Beziehung aufgebaut.
Anders war das bei meinem klobigen Röhrenradio von der Art, die hier den Hauptteil der Schaufensterausstellung bildet und die hier aufgestellt sind wie die PA-Boxen bei Rockkonzerten in den frühen 1970ern Jahren.
Nein, ich bin nicht 1930 geboren! Damals, im zweiten Drittel des letzten Jahrhunderts des letzten Millenius, war es jedoch so, dass die junge Generation die Technik bekam, die die ältere nicht mehr haben wollte, weil sie sich inzwischen etwas Neues gekauft hatte. (Mittlerweile ist das ja umgekehrt).
Das Gerät waren damals schon steinalt, öffnete aber ein breites Tor zur Welt: Wer auf Mittel- oder Langwelle suchte (für die Nachgeborenen zu erklären, was insbesondere Langwelle ist, würde jetzt zu weit führen) konnte – passiv und mit vielen Störgeräuschen – an einer weltumspannenden Kommunikation teilnehmen, gegenüber der das heutige World Wide Web, trotz der wesentlich erweiterten Möglichkeiten, wie ein emotionsloser und antisepitischer Raum daherkommt.
Übrigens hatten auch diese antiken Geräte ihre Zusatzfunktionen. Man konnte das Gehäuse mit Stickern, beispielsweise von Rockband, oder Pril-Blumen bekleben, und sie so individualisieren. Und auf dem Dach konnte man Schallplatten abstellen.
Außerdem war ihr Innenraum aus technischen Gründen sehr groß. Wenn man die Rückwand ab- und wieder anschraubte, konnte man deshalb dort Dinge verstauen, die den Eltern nicht zufällig in die Hände fallen sollten – wobei man darauf achten musste, dass sie genug Abstand zu den elektrischen Bauteilen hatten.
Mit solchen Gedanken stand ich vor dem leider sehr verstaubten Schaufensterm als ich durch einen Dialog zwischen Enkel und Großvater aus meinen Gedanken gerissen wurde. Der Großvater (ungefähr mein Alter, hier wird man früher Großvater als in Deutschland) studierte, ebenso wie ich, die Geräte. Der Enkel jedoch mochte weiter und quengelt.
Beide unterhalten sich in dem typischen montenegrinischen Tonfall, bei dem die Betonung immer erheblich später kommt, als man es eigentlich erwarten würde.
Der Großvater gibt schließlich klein bei, meint aber dann beim Gehen unvermittelt zu mir:
„Jeste li i Vi imali takav? (Hatten Sie auch so einen?)
Ich nicke.
Und beide ärgern wir uns über das ungeduldige Kind, weil wir gerne über die Röhrenradios in unseren Jugendzimmern ausgetauscht hätten.
Schließlich findet man nicht jeden Tag jemanden, der bei diesem Thema mitreden kann.
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