Ist der bosnische Freund ein deutscher oder ein persischer Auswanderer? – Lehnwörter in den verschiedenen Varianten des Serbokroatischen

Mit einer Ausschreibung mit dem Titel „Ausgewanderte Wörter“ suchten der Deutsche Sprachrat, die Gesellschaft für deutsche Sprache und das Goethe-Institut vor einigen Jahren deutsche Wörter, die Eingang in andere Sprachen gefunden haben Das Ergebnis wurde in einem von der inzwischen verstorbenen ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts herausgegebenen, 2007 im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen Bändchen vorgestellt.

Unter den dort vorgestellten Wörtern deutschen Ursprungs finden sich auch solche, die Eingang in das Serbisch gefunden haben. (Nur das Serbische wird erwähnt. Die genannten Wörter finden sich meist jedoch auch in den anderen Varianten des Serborkroatischen.)

„Ausgewanderte Wörter“ verhalten sich anders als menschliche Auswanderer

„Ausgewanderte Wörter“ sind ein spannendes Thema. U.a. weil sie sich anders verhalten als menschliche Auswanderer. Bei den Menschen wandern nämlich diejenigen aus, die in ihrer Heimat nicht mehr gelitten werden oder dort keine Lebensgrundlage mehr finden.

Bei den Wörtern ist es anders. Dort werden nämlich vor allem solche in anderen Sprachen übernommen, die etwas typisch aus ihrem Ursprungsland, das man anderswo nicht kannte, bis es mit dem Wort und dessen Sprechern importiert wurde, bezeichnen.

Deshalb werfen diese „Auswanderer“ auch einen bezeichnendes Licht zurück auf ihre alte Heimat.

Deutschland im Lichte seiner ausgewanderten Wörter

Im Falle Deutschlands entsteht so ein Bild von einer Gegend, in der „Wunderkinder“ und „besservisseri“ beim „kaffeeklatsching“ zwischen „fernweh“ und „gemuehtlichkeit“ hin-und-her-gerissen, einerseits am „Weltschmerz“ leiten, aber andererseits auch „Schadenfreude“ empfinden können.

Auch manches Überraschendes kam bei der Ausschreibung heraus:

  • So gibt es in Rußland auch das Wort „Buterbrot“, das bezeichnet allerdings ein belegtes Brot ohne
  • Und im mexikanische Spanisch nennt man ein gemeinnütziges Nachbarschaftsfest „kermes“.
  • Während die Japaner offensichtlich erst von den Deutschen gelernt haben, was eine „noirooze“
  • Und wenn einer in Arabisch „Kollege“ sagt, meint er keinen Arbeitskollegen, sondern zusammengebundenes Stroh, wie man es als Viehfutter verwendet. Das erinnert einen daran, dass „Kollege“ auch etwas mit Zusammenhalt zu hat/haben sollte.

Germanismen in den Ex-Yu-Sprachen

In dem Taschenbuch finden sich auch einige Worte, die es aus dem Deutschen in das Serbische (andere Ex-YU-Sprachen werden nicht genannt) geschafft haben

  • „Šlag“ (für „süße Sahne“) ist darunter und – unvermeidlich der
  • „Štreber“.

Einmal abgesehen davon, dass die beiden letztgenannten Worte auch im Bosnischen, Kroatischen und Montenegrinischen verwendet werden, sind die nur ein kleines Brüchstück vom Gipfel eines gewaltigen Eisbergs. Einige weitere ausgewanderte Wörter haben wir hierschon einmal vorgestellt.

„Auswanderer“ aus der Türkei, aus Arabien und Persien

Wer jedoch nur auf die Lehnwörter aus dem Deutschen sieht, bekommt ein unzutreffendes Bild von den vielfältigen Einflüssen, die dies Sprache(n), aber auch die Menschen und Kulturen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien beeinflusst haben.

Zahlreich sind insbesondere auch die Lehnwörter aus dem Türkischen. Über das Türkische sind auch viel Wörter aus dem Arabischen und auch Persichen „eingewandert“. Auch sie gelten als Turzismen.

Viele davon finden im Bosnischen Verwendung, aber auch das Serbische und (allerdings in weitaus geringerem Umfang) das Kroatische besitzen solche „östlichen“ Einwanderer.

Dazu gehören insbesondere Wörter aus dem Bereich der Küche, der Verwaltung und des Militärs, aber auch Verwandschaftsbezeichnungen. Beispiele sind:

  • Šećer (Zucker),
  • alat (Werkzeug)
  • čarapa (Strumpf)
  • džep (Tasche)
  • jastuk (Kopfkissen)
  • jogurt,
  • krevet (Bett)
  • kutija (Schachtel)
  • majmun (Affe)
  • pamuk (Baumwolle)
  • rakija (Schnaps)
  • sat (Stunde)
  • boja (Farbe)
  • sapun (Seife)
  • mamurluk („Kater“, nach Alkoholgenuss, ja, dafür gibt es auch in Sprachen von Völkern, die eigentliich mehrheitlich muslimisch sind, ein Wort!).

„Jaran“ als Zweifelsfall

Meist kann man die Wörter, die aus dem Deutschen einerseits und aus dem Türkischen, Arabischen oder Persischen andererseits übernommen wurden, schon anhand des Klanges leicht unterscheiden.

Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Und bei einem Wort ist sogar umstritten, ob es aus dem Deutschen oder Prsischen stammt.

Es lautet „jaran“ und bedeutet „Freund“.

Hier behaupten die einen, es käme aus dem Deutschen.

Im Deutschen gibt es kein Wort für „Freund“, das klingt wie „Jaran“, meinen Sie?

Richtig, aber es gibt das Wort „Jahrgang“. Und viele, die – in der Schule oder beim Militär – in einem Jahrgang waren, wurden Freunde. Und Bosnien und Herzegowina war lange von Österreich-Ungarn annektiert bzw. dessen Protektorat, so dass man das Wort durchaus hören konnte. So begründen das zumindest einige.

Uns scheint dagegen schlüssiger, dass „jaran“ vom Persischen „yaran“ kommt. Aber den endgültigen Beweis könnten wir wohl erst  führen, wenn wir das Wirt in einem Text finden würden, der aus einer Zeit vor der Ankunft Österreich-Ungarns stammt.

Ungelöstes Rätsel bestätigt, dass Freundschaft international ist

Deshalb bleibt es für`s erste dabei, dass wir nicht wissen, ob das bosnische Wort für „Freund“ aus dem Persischen oder Deutschen stammt.

Diese Situation hat genau besehen auch etwas Tröstliches und Völkerverbindetes. Schließlich belegt es, dass Freundschaft etwas ist, dass es in Ost und West gleichermaßen gibt.

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