Die namenlose Schöne im Sommergrün – Trainspotting der etwas anderen Art in Bosnien – Teil I

Normalerweise geht Trainspotting so, dass man selbst an einem bestimmten Platz wartet und dann Züge kommen, die man fotografiert.

Wir haben in Bosnien und Herzegowina ein Trainspotting gemacht, bei dem wir selbst uns viel bewegt haben, während die Lokomotiven, Wägen und Züge, denen wir nachgestellt haben, unbeweglich verharrten. Und das schon seit Jahrzehnten. ´

Und einen verwunschen ehemaligen Eisenbahnknotenpunkt haben wir auch aufgesucht. Dieser hat uns – zusammen mit der neuesten Fahrzeugtechnik bei Reifenpannen – allerdings selbst in der tiefsten Wildnis zur Bewegungslosigkeit verdammt.

Ausgangspunkt ist der Put AVNOJA

Aber der Reihe nach: Wir, mein am Tag vorher 15 gewordener Sohn und ich, wollten einen Urlaubstag in Bosnien nutzen, um Spuren der reichhaltigen Eisenbahngeschichte dieses Landes zu suchen und zu fotografieren.  Dabei fuhren wir eine Rundstrecke – zuzüglich eines Abstechers, von dem wir aber wegen der Beschaffenheit der Strecke in der dortigen menschenleeren Gegend, in der sich auch mal Wolf und Bär „Gute Nacht“ sagen (kein Witz) – dringend abraten.

Wir sind in Glamoč gestartet, wo es vermutlich wenige hinverschlägt. Beginnen – und abkürzen – kann man die Reise auch vom Put AVNOJ, der Hauptverkehrsader, die den Westen von Bosnien mit dem Osten verbindet. Deshalb beschreiben wir die Reise hier so, wie man sie durch Abstecher bei einer Fahrt von Bihać nach Sarajevo gestalten kann. Dann empfiehlt sich folgender Reiseverlauf:

In Bihać folgen wir den Schildern nach Sarajevo, die uns auf den Put AVNOJA führen, dem wir bis Bosanski Petrovac folgen: Dort biegen wir nach rechts in Richtung Drvar ab.

Früher hieß die Stadt übrigens „Titov Drvar“ (Titos` Drvar). Dies wegen ihrer Bedeutung im Kampf der Tito-Partisanen gegen die deutsche Wehrmacht, der auch den Hintergrund einiger der Eisenbahnsehenswürdigkeiten bildet, die man hier in der Gegend sehen kann.

Bäume würdigen Tito

Auf der Landstraße geht es zuerst auf einer einigermaßen ebenen Strecke den Bergen entgegen. Rechts befinden sich einige Hügel, die von Wiesen und kleinen Wäldern bedeckt sind. Wer genau hinsieht, wird dort eine Baumformation erkennen, die künstlich wirkt. Es handelt sich um vier Ansammlungen von Bäumen, von denen die erste und zweite aus einer Linie besteht, die auf eine Querlinie trifft. Die zweite bildet nur eine Gerade, die vierte und letzte eine Art Elipse.

Die Bäume werden nicht mehr regelmäßig zurechtgestutzt. Außerdem hat man wohl den einen oder anderen von ihnen gefällt, vielleicht sogar um den ursprünglichen Verwendungszweck zu verschleiern.

Titos Zug (43)

Mit etwas Phantasie kann man jedoch auch heute noch den Schriftzug TITO erkennen, der an dieser Stelle, allen, die in Richtung Drvar fuhren, bis Anfang der 1990er wie der Titel im Vorspann eines Kinofilms kenntlich machte, dass man sich kurz vor dem Eintritt in ein Kerngebiet des Tito-Kults befindet.

Titos`Zug besuchen wir erst später

Danach geht es relativ steil und in Serpentinen nach oben. Die Passhöhe zwischen den Bergen Klekovača und Osječenica auf 1198 Metern Höhe heißt Oštrelj.

Titos Zug (30)

Trotz des Schildes „Titov voz“ (Titos` Zug) halten wir nicht an. Wir werden nämlich auf dem Rückweg von diesem Abstecher von der Hauptroute nochmals hier vorbeikommen und dann wird Gelegenheit für einen Halt sein.

Nach kurviger Strecke, die zuerst hinab und wieder hinauf führt, sehen wir von einer weiteren Anhöhe unten im Tal Drvar liegen. Mit gemäßigter Geschwindigkeit und dem nötigen Respekt vor Kurven (der sich auf unserer gesamten Reise empfiehlt) geht es hinunter in diese Stadt.

Auch Titos` Grotte muss noch warten

Am Ortseingang, direkt am Ende der Abwärtstrecke, vor einer kleinen Brücke mit blauem Geländer, die über die Unac führt, können wir wiederum auf einem Schild das Wort „Tito“ lesen. Dieses Mal in der Bezeichnung „Titova Pećina““ (Titos` Grotte).

Srnetica ua BuH August 2018 (104)

Da auch hierfür noch auf dem Rückweg Gelegenheit sein wird, lassen wir diese jetzt noch im wahrsten Sinne des Wortes links liegen und fahren weiter, um dann links in den Ort hineinzubiegen.

Am Ortsausgang an der R 408

Das erstes Ziel ist jetzt sehr nahe. Wir haben es auf unserer eigenen Rundtour zufällig entdeckt, obwohl wir vorher schon aus unseren Reisen aus Deutschland und zurück, dutzende Male daran vorbeigefahren waren. Es handelt sich um einen Zufallsfund, der alleine meinem Sohn als aufmerksamen Beifahrer zu verdanken ist.

Wenn sie die Bewohner von Drvar nach dem Weg fragen, kann es ihnen deshalb passieren, dass auch die Ortsansässigen nicht wissen, was Sie suchen, weil sie ihm keine Beachtung schenken. Und sobald sie das Stichwort „Alte Lokomotive“ hören, verweisen sie vermutlich auf die Passhöhe, zu Titos` Zug.

Deshalb fragen Sie am besten nach der R 408, der Straße, die über Crni Vrh und Rore nach Glamoč führt.

Unsere erste Entdeckung befindet sich nämlich kurz vor demjenigen Ortsausgang von Drvar, der in diese „Landstraße“ (die in weiten Teilen nicht asphaltiert ist) mündet. Wenn Sie die Zufahrtstraße dazu am östlichen Ortsausgang von Drvar gefunden haben,  müssen Sie nur noch auf die nächste Brücke, die wieder auf die andere Seite des Flusses Unac führt, achten.

Wenn Sie diese gefunden haben, sollten Sie das Auto parken und den Fluss zurück in die Richtung, aus der Sie gekommen sind, sehen. Dann fällt ihnen keine hundert Meter unterhalb eine weitere, alte Brücke auf. Etwas rechts davon sehen Sie auf der anderen Seite des Flusses – zumindest im Sommer – vermutlich erst einmal viel Grün.

Wenn Sie allerdings genau hinsehen, ist da als rotbrauner Kontrast das verrostete Wrack einer alten Dampflokomotive zu erkennen.

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Ein lohnendes Objekt. Wie aber hinkommen?

Dafür haben Sie zwei Wege zur Auswahl:

  • Zu Fuß über die Straßenbrücke und dann links oder,
  • ebenfalls zu Fuß, zuerst geradeaus und dann über die Reste der ehemaligen Eisenbahnbrücke.

Letzteres ist romantischer. Da die Eisenbahnbrücke noch stabil ist und, trotz der Löcher im Boden, auf die man tunlichst achten sollte, bietet sie genug Platz für die Füße.

Deshalb sind wir vorsichtigen Schrittes diesen Weg gegangen, der auch schöne Frontansichten auf die Lokomotive eröffnet:

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Einmal angekommen, beginnt das Rätselraten:

  • Welches Baujahr?
  • Welcher Hersteller?

Wir selbst konnten das Rätsel nicht lösen, da wir keinerlei Herstellerschild oder Typennummer gefunden haben.

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Vielleicht werden Sie fündig?

Srnetica ua BuH August 2018 (56)

Aber vorsichtig: Den Führerstand sollten Sie nicht betreten! Dessen Boden ist nämlich zu einer papierdünnen und löcherigen  Angelegenheit zusammengerostet.

Die Lok bleibt also ein Rätsel. Was allerdings ihren Rang als pittoreskes Fotomotiv keinesfalls schmälert.

Besonders die Kombination zwischen verrottender Technik und Natur, die sich ihr Recht wieder zurückholt, hat ihren Reiz. Eine Mischung, die uns auf unserer bosnischen Trainspotting-Tour noch öfters begegnen sollte.

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Österreichischer Güterwagen bei Titos` Grotte

Danach geht es zurück bis zu der blauen Brücke, an der ein Schild unübersehbar auf Titos` Grotte verweist.

Hier halten wir, weil wir uns dieses wichtige Denkmal aus der Zeit des Partisanenkampfes (das wir bei anderer Gelegenheit näher vorstellen werden) nicht entgehen lassen sollten.

Auch für Eisenbahnfans gibt es hier ein Exponat:  Die Reste von Güterwagen aus österreichischer Produktion, die wohl im Zweiten Weltkrieg ausbrannten.

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Außerdem gibt es in dem kleinen Museum unterhalb der Grotte Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg, auf denen ebenfalls Eisenbahngeschichte dokumentiert wird.

Auf einem ist eine von den Partisanen benutzten Lokomotive.

Das Besondere an ihr ist, dass sie aus den Resten verschiedener Lokomotiven zusammengesetzt wurde, die die Partisanen vorher, als sie noch von den Deutschen benutzt wurden, selbst zerstört hatten.

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(Wird fortgesetzt)

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