Die Vorbereitung des EU-Beitritts eines neuen Mitgliedslandes ist eine langwierige Sache. Damit verbunden sind auch viele schriftliche Übersetzungen, insbesondere von Rechtsvorschriften.
Zum einen muss das bestehende EU-Recht, der so genannte acquis, in die Sprache(n) des Beitrittskandidaten übersetzt werden. Es müssen aber auch Vorschriften dieser Länder übersetzt werden, damit Fachleute der EU beurteilen können, ob diese bereits im Einklang mit den europäischen Vorgaben sind. Brexit hin, Brexit her bedeutet dies auch heute noch eine Übersetzung in die englische Sprache.
Kleiner Staat, viele Ebenen
Die Föderation Bosnien und Herzegowina, einer der drei Landesteile des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowinas hat, nun Zahlen darüber veröffentlicht, wie hoch gegenwärtig die aus ihrem Budget hierfür angefallenen Kosten sind. (Hinzu kommen dann wegen der Besonderheiten des Staatsaufbaus in Bosnien und Herzegowina noch die Kosten für die Übersetzung von Vorschriften auf dem Niveau des Dachstaates Bosnien und Herzegowina, der Republika Srpska und des Distrikts Brcko.)
Danach wurden im Monat Juli 2017 von siebenundzwanzig Übersetzern 2495 Seiten Gesetzestexte übersetzt. Dafür bekamen die Übersetzer, abhängig von ihrem Arbeitsumfang, zwischen 254 und 3015 konvertible Mark (kurz: KM).
Für eine Seite Übersetzung wurden 15 KM (etwa: 7,50 €) bezahlt.
Doppelt so viele Übersetzungen als in anderen Fällen
Anlass der Übersetzungen ist ein Fragebogen der EU, den Bosnien und Herzegowina beantworten muss.
Normalerweise benötigen Beitrittskandidaten zwischen 12.000 und 15.000 Seiten in englischer Sprache, um den entsprechenden Katalog zu beantworten. Aufgrund der Besonderheiten des Staatsaufbaus Bosnien und Herzegowinas dürfte es in diesem Fall doppelt so viele Seiten werden. Die Medien berichten, dass hierfür mindestens 85 Übersetzer zwei Monate intensiv arbeiten müssten.
Das alles klingt interessant, erinnert aber eher an sportliche Wettbewerbe als an ernsthafte juristische Übersetzungen. Hierfür erscheint die berechnete Zeit sehr kurz.

Mögliche Fehlerquellen
Juristische Texte sind sehr kompliziert. Mitunter sucht man lange nach dem richtigen Wort. Solche Übersetzungen sind in ihrem Schwierigkeitsgrad oft mit der Übertragung von Lyrik in einer Sprache in die andere vergleichbar.
Außerdem ist die Anzahl der eingesetzten Übersetzer sehr groß. Dadurch werden die Übersetzungen schnell uneinheitlich.
Und: Auch wenn der Lebensstandard in Bosnien und Herzegowina wesentlich geringer ist als in den EU-Staaten: Der Betrag von 7,5 € für die Übersetzung so spezialisierter Texte erscheint nicht gerade viel . Jeder Übersetzungsfehler kann schließlich weitere, wesentlich teurere Fehler nach sich ziehen.
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