
Heute trauern viele Jugoslawien (wieder) nach.
Die indivduellen Gründe dafür sind durchaus nachvollziehbar. Fraglich ist allerdings, ob eine solche Nostalgie objektiv berechtigt ist.
Selektive Erinnerung
An die langen Sommerurlaube und bunte Feste in der angeblich besseren Zeit erinnert sich jeder gerne. Die Hyperinflation Ende der 1980er/Anfang der 1990er scheinen dagegen viele vergessen zu haben, obwohl sie die meisten derjeingen, die heute dem ehemaligen Staat nachtrauern, selbst erlebt haben.
Noch schneller vergessen werden die Dinge, die nur einige, diese dafür aber umso dramatischer, betrafen. Am deutlichsten wird das am Beispiel von Goli Otok (Nackte Insel), dem bekanntesten Straflager des Tito-Sozialismus.

Bereits der Name deutet auf schwierige (Über)Lebensbedingungen hin.
Dieser Eindruck wird durch Berichte von und über Überlebenden noch verstärkt. In einem von diesen heißt es
Vladimir Bobinac hat überlebt. Da die Folter ihn bis heute quält, erzählt er von ihr.
Als er 1951 auf der Insel ankam, war er 29 Jahre alt. Empfangen wurden er und die anderen 400 Neuankömmlinge vom später berüchtigten kroz stroj:
Links und rechts der Anlegestelle standen einen Kilometer lang dicht aneinander gereiht die bereits anwesenden Häftlinge im Spalier. Sie hatten den Befehl, auf die „Neuen“, die durch diesen Korridor getrieben wurden, mit Knüppeln einzuschlagen, und dabei „Banditen, Banditen!“ zu brüllen.
Niemand überstand die Tortur ohne Verletzungen…
Und das war nur der Anfang eines Aufenhalts auf dieser Insel.
4.000 Tote
30.000 Gefangene sollen durch dieses Lager gegangen sein. Fast 15 % davon, nämlich 4000, überlebten es nicht. Hinzu kommen noch viele, die an Spätschäden wegen der Torturen, die ihnen dort zugefügt wurden, litten und leiden.
Grund genug, es mit der Jugo-Nostalgie nicht zu übertreiben!
Viele scheinen vergessen zu haben, dass das jugoslawische System zwar in einigen, entscheidenden Punkten anders war als die klassischen kommunistischen Systeme des Ostblocks, aber dennoch ähnlich brutale Methoden wie diese anwandte. Dazu gehörten auch viele im Westen, die die frohe Mär von dem (angeblich) funktionierenden Arbeiterselbstverwaltungssozialismus allzu willfährig glauben wollten.
Jugoslawien war etwas eigenes. Ein Paradies war es nicht. Sorry!
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