Es hatte etwas gedauert, bis wir dazu kommen, den letzten Teil unserer Serie „Train Spotting der etwas anderen Art in Bosnien und Herzegowina“ fertig zu stellen.
Dies liegt aber nicht an der Entfernung zwischen den hier vorgestellten Zügen und ehemaligen Bahnhöfen. Diese kann man nämlich kommod im Rahmen einer Tagestour abfahren. (Den Abstecher nach Srnetica können wir allerdings nur mit einem Geländewagen empfehlen. Kein Witz: Wir haben es mit und uns dabei ein zu großes Loch im Reifen eingehandelt, das wir mit unseren Pannenspray nicht mehr flicken konnten.
Glücklicherweise hatten wir Handyempfang – was in dieser Gegend auch nicht garantiert ist – und so war nach „nur“ vier Stunden, in denen wir keinen anderen Menschen, geschweige denn ein anderen Auto sahen, der Abschleppwagen bei uns.)
Unsere letzte Station ist der ehemalige Bahnhof Mlinište, in dem auch heute noch, ca. 50 Jahre nach Stilllegung der Strecke, ein zwischenzeitlich arg heruntergekommener Zug steht.
Ihn hat man damals, als man den Verkehr einstellte, hier stehen lassen, weil er noch als Museumszug an die Partisanenkämpfe des Zweiten Weltkriegs erinnern sollte.
Angeblich hat Tito ihn selbst sogar benutzt. Wir sind da etwas skeptisch. Nicht nur weil diese Geschichte allzu deutlich an die (besser belegte Geschichte) des Zuges von Oštrelj erinnert, sondern weil wir in dem Zug Typenschilder entdeckt haben, die auf das Baujahr 1945 und, an anderer Stelle, sogar auf ein nicht mehr genau in lesbares Jahr aus den 1950ern hindeuten.
Gut möglich, dass man bei Einstellung der Strecke den letzten damals eingesetzten Zug einfach rückwirkend zum Partisanenzug erklärt und zum Museumsobjekt gemacht hat.
Die Bilder dieses Zuges stammen aus verschiedenen Jahreszeiten. Dies deshalb, da wir öfter dort vorbeikommen und so das Glück hatten, den Zug und sein Zusammenspiel mit der Natur im Wandel der Jahreszeiten zu studieren.
Der Zug wird langsam wieder zur Natur,
bietet Pflanzen Halt
und dient als Hühnerstall.
Der bosnische Fernsehjournalist Ibrahim Halilović beklagt auf seinem You-Tube-Kanal auf dem sich auch eine filmische Würdigung des Zuges findet,
In zivilisierten Staaten wäre eine solche verkehrsmäßige und geschichtliche Besonderheit auch heute in Funktion und unter der Schutz des Staates. Sie wäre – als Museum – ein Unterrichtsraum für Geschichte und als Verkehrsmittel wäre es der Stolz sowohl der Eisenbahner wie der Bürger und insbesondere der Antifaschisten. (U civiliziranim državama ovakva saobraćajna i povijesna znamenitost i danas bi bila u funkciji i pod zaštitom države – kao muzej – učionica povijesti i kao prevozno sredstvo na ponos i željezničara i građana, posebno antifašista.)
Er hat sicher recht, dass es schade ist, dass dieser Zug so verkommt. Auch wenn er möglicherweise eine Nachkriegsgarnitur ohne antifaschistische Vergangenheit ist.
Andererseits macht gerade der Umstand, dass der Zug und die Natur seit Jahrzehnten eine Symbiose eingehen, den besonderen Reiz aus. Wann sieht man schon einmal Bäume, die aus Zugwaggons heraus wachsen?
Der Zug mit dem früheren Bahnhof ist eine nähere Erkundung wert.
Der auch heute noch deutlich sichtbare frühere Bahntrasse sollte man jedoch nicht folgen!
In der Umgebung wurde während des Krieges in den 1990er Jahren heftig gekämpft. Leicht möglich, dass die ehemalige Bahnstrecke, auf der abseits der Straßen durch den Wald ein leichtes Fortkommen möglich ist, damals vermint wurde.
Deshalb, wie überall in Bosnien: Keine Ausflüge in die unbekannte Natur. Hier aber, beim Zug, ist man sicher. Und für das Nachgenießen dieser Erkundungstour gibt es unweit sogar gleich zwei Gaststätten, in der man es sich schmecken lassen kann.
Sehr schöner und interessanter Bericht aus einem fast unbekannten Land.
Wenn Ihr ein weiteres kleines Abenteuer bezüglich der Eisenbahn in Bosnien sucht, empfehle ich Euch sowohl die Schmalspurbahn von Jajce (sehr sehenswerter Wasserfall und alte Wassermühlen) nach Travnik über den Komar-Pass sowie eine Spurensuche auf der alten Bosnischen Ostbahn. Diese begann oberhalb von Sarajevo und führte malerisch durch den Praca Canyon. Leider ist seit August 2017 diese abenteuerliche Strecke im Zuge der offiziellen M5 aufgrund eines Brückeneinsturzes nicht mehr mit dem PKW befahrbar, da sich die Brücke jedoch am westlichen Ende des Canyons befindet, kann man mit dem Auto die rund 20 Kilometer bis zur Brücke von der Ostseite aus befahren (der Abzweig befindet sich nördlich von Gorazde, wo die Hauptstraße von der M5 zur M19.3 wird, die M5 biegt dort nach Westen in den Praca Canyon ein).
Lieben Gruß aus Hamburg,
Didi 🙂
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