Was fehlte einem Deutschen, der Ende der 1980-er Jahre in Jugoslawien lebte, wohl am meisten?
Auf den ersten Blick würde jeder vermutlich eine andere Antwort geben. Ich bin mir jedoch sicher, dass diejenigen, die die Erfahrung selbst gemacht haben, größtenteils meinem Vorschlag zustimmen würden: Das, was fehlte war nämlich nicht
- die deutsche Ordnung (man kommt ganz gut mal ohne sie aus) oder
- das deutsche Bier (in Jugoslawien gibt es hervorragenden Gerstensaft).
- Auch an den Straßenverkehr gewöhnt man sich und
- daran, dass an keiner Bushaltestelle ein Fahrplan hängt.
Nein, was einem wirklich fehlte war – Schwarzbrot!
Irgendwann ging einem nämlich das viele Weißbrot gleichermaßen auf den Geist und den Magen. Schwarzbrot aber war (fast) nirgends zu bekommen.
Schwarzbrot war Armenbrot
Schlimmer noch: Schwarzbrot hatte damals – im übertragenen Sinn – einen negativen Beigeschmack.
Schwarzbrot kam nämlich nur im Rahmen der Berichterstattung in den Medien über die Sozialhilfe vor. Es wurde nämlich, weil nahrhafter als das hellere Grundnahrungsmittel, als Sachleistungen für Sozialhilfeempfänger ausgegeben. Wer sich selbst Brot kaufen konnte, zog es deshalb vor, Weißbrot zu kaufen.
Eine kroatische Website beschreibt dies mit den Worten, dass
früher die Regel galt, dass der soziale Status einer Person umso niedriger ist, je dunkler das Brot war, das er aß,
(… je kroz povijest vrijedilo pravilo što tamniji kruh to niži socijalni status osobe koja ga jede)
Deshalb gab es damals Schwarzbrot kaum in den Läden, sondern nur an den Ausgabestelle für Sozialhilfe.
Wege aus der Schwarzbrotnot
Was tun, wenn man als Ausländer dennoch Schwarzbrot möchte (in die Reihe der Hilfsbedürftigen konnte man sich ja kaum einreihen!)?
- In Belgrad gab es damals eine Bäckerei, die Schwarzbrot unter dem Namen Seljacki hleb“ (Bauernbrot) verkaufte. Dort habe ich mir immer, wenn ich in Belgrad war, drei Leib mitgenommen. Einen zum sofort Essen und zwei – mehr hätte nicht in das kleine Gefrierfach über dem Kühlschrank gepasst – zum Einfrieren.
- So oft kam jedoch auch nicht nach Belgrad. Deshalb habe ich mir in Ergänzung dazu von Deutschlandaufenthalten immer Backmischungen für Schwarzbrot mitgenommen. Was mäßigen Erfolg zeigte: Meine Ergebnisse sahen meistens wesentlich anders aus als diejenigen, auf den Bildern auf der Verpackung: Von der Form her wie ein türkisches Fladenbrot und von der Konsistenz wie die kräftige Kruste eines Schwarzbrotes, in der der sich in diesem Fall allerdings keinen weicher Teig verbarg.
Heute besseres Image
Heute ist das Image des dunklen allerdings wesentlich besser. Eine serbische Website meint dazu:
Schwarz- oder Roggenbrot ist unter denjenigen in der Bevölkerung, die sich um ihre Gesundheit sorgen und auf regelgemäße Ernährung Wert legen, populär
Crni ili raženi hleb izrazito je popularan među populacijom koja brine o svom zdravlju i vodi računa o pravilnoj ishrani.
Bäckereien werben mit „speziellen Brotsorten“ und informieren darüber, zu welchen Uhrzeiten sie aus dem Backofen kommen:
Hippies waren ihrer Zeit voraus
Bei einigen Musikern muss Schwarzbrot dagegen schon in den 1960-ern populär gewesen sein. Wie anders hätten sie sich eine Band ausgerechnet
Porodična Manufaktura Crnog Hleba
Familienmanufaktur für Schwarzbrot
nennen können?
Wobei die Musik als Akkustikfolk bezeichnete Musik dieser Gruppe eigentlich eher soft wie Weißbrot war:
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