Die meisten davon gibt es noch heute, andere dagegen sind verschwunden.
Die erste YU-Kone , die wir vorstellen, gibt es noch häufig. Es kommen jedoch keine neue nach. Die Gründe dafür werden bei der Lektüre des nachfolgenden Textes sicher verständlich werden.
Dinge, die man sieht, aber nicht erkennt
Als der Verfasser dieser Zeilen Anfang der 1980er begann, Jugoslawien auf alle Art und Weisen, die sein studentisches Budget erlaubten, zu bereisen, traf er auf viel Neues. Manches davon schien auf den ersten Blick etwas anderes zu sein, als dasjenige, als das es sich später herausstellte.
Beobachtung in einem Zugabteil
Ich denke, es war in einem dieser langsamen Züge, vermutlich zwischen Zagreb und Split. Das Abteil war gut gefüllt. Mir gegenüber saß ein Mann mittleren Alters, der wegen der Hitze die Ärmel hoch krempelte.
Zum Vorschein kam eine offensichtlich selbst – oder von einem ebenfalls fachunkundigen Freund – gefertigte Tätowierung. Kein sehr anspruchsvolles Motiv:
- ein Herz,
- von einem Pfeil durchbohrt,
- dann ein Datum und schließlich
- ein Name.
Ich dachte noch, dass es sehr leichtsinnig sei, sich den Namen einer Liebe auf diese Weise unveränderlich in die Haut zu schreiben. Schließlich können sich Dinge ändern, gerade in der Liebe….
Kein Einzelfall und alle lieben dieselbe Frau?
Je mehr ich im Land herum kam,desto mehr musste ich feststellen, dass mein Mitreisender kein Einzelfall war.
Offensichtlich war die Hälfte der jugoslawischen Männer in einem gewissen Alter auf diese oder ähnliche Weise tätowiert!
Bereits das war „strange“ Andererseits: Andere Länder, andere Sitten!
Mein Erstaunen wuchs jedoch ins Grenzenlose, als ich feststellte, dass all diese Männer sich jeweils denselben Frauennamen (oder das, was ich dafür hielt) auf Lebzeiten in die Haut gebrannt hatten: Diese INA musste eine tolle Frau sein!
Der Anzahl ihre Verehrer zufolge, musste sie ein Film- oder Schlagerstar sein. Schließlich konnte sie selbst beim besten Willen – und der liberalsten Einstellung gegenüber dem anderen Geschlecht – kaum mit all diesen Männern eine nähere persönliche Beziehung gehabt haben.
Manche Erkenntnisser werden von roten Ohren begleitet
So ist das mit unbekannten Welten: Man neigt zu Fehlinterpreationen.
Manchmal liegt man so daneben, dass man vor Scham im Boden versinken möchte, wenn sich das Missverständnis aufklärt.
Wobei es für mein Missverständnis im wesentlichen zwei, hoffentlich verständliche Ursachen gab:
1) Zum einen waren die Tätowierungen immer sehr brachial; Kein einziges Mal war eine filigrane Arbeit darunter. So kam es, dass man den ersten Buchstaben dessen, was ich für einen Mädchennamen hielt, leicht verwechseln konnte.
Tatsächlich stand dort nämlich nicht
INA,
sondern
JNA.
Und „JNA“ stand für „Jugoslovenska Narodna Armija“, also: „Jugoslawische Volksarmee“!
Bei den Tätowierungen handelte es sich also um nichts anderes als um ein Souvenir an die eigene Wehrdienstzeit. („INA“ wäre übrigens ein Mineralölkonzern gewesen. Ina Deter, meine Traum-Ina der 19080-er, war und ist in dieser Region leider unbekannt, obwohl gerade sie neue Männer brauchen würde .)
Was dem einen seine Frau, ist dem anderen seine Armee
Hier lag der zweite Grund für mein Missverständnis:
2) Als Deutscher meiner Generation, der seine 456 Tagen bei der Bundeswehr mit Mühe und Not hinter sich gebracht hatte, konnte ich mir kaum vorstellen, dass sich jemand seinen Wehrdienst bis zum Lebensende unwiderruflich in die Haut brennen würde.
Lesson learnt
Womit ich eine weitere wichtige Lektion gelernt hatte:
Mein distanziertes Verhältnis zur eigenen Armee, das ich für die allgemeine Eigenschaften meiner eigenen Generation gehalten hatte, war nämlich keineswegs internationaler Standard.
Und im ehemaligen Jugoslawien war der Wehrdienst etwas, an das man sich so gerne erinnerte, dass man es sogar unwiderruflich bis ins eigene Lebensende auf seinen Körper schrieb.
Später und heute
Später schossen übrigens Männer mit solchen Tätowierungen, inzwischen auf unterschiedlichen Seiten, aufeinander.
Auch heute triffz man Männer mit solchen Tätowierungen. Manche knöpfen die Ärmel an heißen Tagen nicht mehr auf, anderen scheint das gleichgültig zu sein. Und wieder andere sind nach wie vor stolz auf ihre Tätowierung.
Manchmal sitzen Vertreter von allen drei Gruppen an einem Tisch.
Gut so!
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