Kragujevac, 21. Oktober 1941: Beginn des größten deutschen Massenmords im ehemaligen Jugoslawien

Heute ist der 21.Oktober. Für die meisten von uns dürfte das ein Tag wie viele andere sein. In der serbischen Stadt Kragujevac ist dies andere. Dort gedenkt die gesamte Stadt heute wieder dem dunkelsten Kapitel der deutsch-serbischen Geschichte, durch das buchstäblich jeder Familie dort entsetzliches Leid zugefügt wurde.

Die Rede ist von der größten Massenerschießung von Zivilisten durch die deutsche Wehrmacht auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens während des Zweiten Weltkriegs, die in Deutschland kaum bekannt ist.

Damals hatten deutsche Truppen im Zuge des Balkanfeldzuges Serbien besetzt, wo sie auf erheblichen Widerstand stießen. Deshalb kündigte man an, zukünftig für jeden getöteten deutschen Wehrmachtsoldaten hundert und für jeden verwundeten fünfzig Zivilisten zu erschießen. Da dies den Widerstand nicht brach, setzte man diese Drohung nach einem Partisanenangriff in Gornji Milanovic, bei dem zehn deutsche Soldaten ums Leben kamen und 26 andere verwundet wurden, nicht nur in die Tat um, sondern ging weit darüber hinaus.

An drei Tagen aufeinanderfolgenden Tagen erschossen deutsche und österreichische Wehrmachtseinheiten, unterstützt von serbischen Freiwilligenkorps, zwischen 3000 und 4.000 Menschen, darunter Schulkindern, die direkt aus dem Unterricht zum Hinrichtungsplatz außerhalb der Stadt geführt worden

Je mehr man über die damaligen Ereignisse erfährt, desto sprachloser und beschämter bleibt man zurück. Dieser Massenmord war kein spontaner Exzess, sondern er wurde akribisch vorbereitet. Unter anderem machte man sich bei den Verantwortlichen in der Wehrmacht vorher Gedanken, welche – aus deutscher Sicht – nachteiligen Wirkungen ein solches Massaker haben könnte. Man wollte die größte Abschreckung erzielen, jedoch verhindern, dass Märtyrer und Wallfahrtsstätten geschaffen wurden. Deshalb wurde vorab befohlen, die Ermordeten möglichst unzugänglich und ohne Grabkreuze oder ähnliche Hinweise zu beerdigen.

Vielen der deutschen und österreichischen Soldaten, die an der Hinrichtung beteiligt waren, waren in die Jahre gekommene Männer, von denen die meisten vermutlich selbst gleichalterige Kinder zu Hause hatten. Was sie jedoch nicht hinderte, zu schießen …

Die Erinnerung an die Toten wird in einer Gedenkstätte bewahrt, in der man auch auf die Hoffnungen und Todesängste der späteren Opfer dieser seelenlose Tötungsmaschinerie trifft.

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So finden sich dort Kopien von Zetteln, die Inhaftierte geschrieben hatten, während die Hinrichtung vorbereitet wurde. Abschiedsgrüße finden sich dort ebenso wie Anweisungen über noch zu erledigende Geschäfte. Einige gaben, in Verkennung der Umstände, auch der Hoffnung Ausdruck, dass sie bald freigelassen werden. Soweit ist möglich war, diesen Zetteln Namen zuzuordnen und soweit man von den Getöteten Bilder hatte, finden sich diese neben den Zetteln. Auch aus Personalausweisen sehen einen viele Ermordete an.

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So bekommen Opfer ein Gesicht, was einen auch nach mehr als 80 Jahren nach ihrem gewaltsamen Tod noch über die Grausamkeit der Täter schaudern lässt.

Dezent, aber umso mehr beeindruckend ist die akkustische Untermalung in dieser Gedenkstätte. Den ganzen Tag über werden zu minimalistischer Musik die Namen der bekannten Opfer verlesen.

Alle fünf Sekunden einer. Es dauert also fast eineinhalb Stunden, bis die Namen von tausend Opfern verlesen sind. Wenn man sich darauf einlässt und bewusst zuhört, sind schon Bruchteil dieser Zeit unerträglich. Noch unerträglicher der Gedanke, dass hier gerade einmal fünf Sekunden bleiben, um ein zu früh grausam beendes Leben zu ehren.

Welche Gegensatz dazu bildet wiederum die Tötungsbürokratie der Wehrmacht:

Krag

In deren Unterlagen finden sich tabellarischen Aufstellungen der Aktionen und Reaktionen, in denen in einer Spalte eben mal tausende von erschossenen Zivilisten zum Beweis der eigenen Befehlstreue evidentiert werden.

Wir werden in einigen der nächsten Beiträgen an diese Tragödie erinnern, aber auch die Stadt Kragujevac allgemein vorstellen.

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