In der “Freiluftgalerie Belgrad“ finden sich viele Murale: vielfältig sind die Stile und Motive. Meist sind die Bilder sehr bunt.
Schwarz-weiße Bilder mit merkwürdigen Kürzeln und Symbolen
Eine Sorte von Bildern unterscheidet sich jedoch davon: Sie sind vornehmlich schwarz-weiß, zeigen einzelne Personen, meist mit einem Zitat, und wer genau hinsieht, entdeckt Kürzel wie „GTR/Grupa JNA“ oder „Grupa JNA/Punk PFC“ und kleine Elektrogitarren und Schaufeln.
Die Abkürzung JNA ist besonders verwirrend, da sie meist für „Jugoslovenska Narodna Armija“, also jugoslawische Volksarmee, steht. Auf den Bildern sind jedoch Schauspieler und Rockmusiker abgebildet.
Wie passt das zusammen?
Und warum werden diese Murale häufig verschandelt?
Ein Blick in die Fußballgeschichte bringt der Lösung näher
Um das alles zu verstehen muss man, wie bei vielem auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, (mindestens) in das Jahr 1945 zurückgehen und auch einen Blick in die jugoslawische Geschichte (hier.: die Fußballgeschichte) werfen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wandte sich wieder weltlichen Dingen, wie beispielsweise dem Fußball, zu.
Dieser war aber in der Nachkriegszeit, die gleichzeitig auch der Beginn des Sozialismus war, keine unpolitische Sache. Deshalb bedurfte es für eine Vereinsgründung der Unterstützung einflussreicher Kräfte. Und einflussreich waren damals das Militär und die Partisanen. (Darauf wird gleich nochmals zurückzukommen sein.)
„Großserbien“ wird „Jugoslawien“ wird „Roter Stern“
Eigentlich gab es in der Stadt schon einen bedeutenden Fußballklub. Dieser war bereits im Jahr 1913 im Königreich Serbien (1878–1918) gegründet worden und führte anfänglich den Namen „SK Velika Srbija“ (Sportclub Großserbien), war also proserbisch. Im Jahre 1918 wurde dann das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das bis 1929 Bestand hatte und sich später in Königreich Jugoslawien umbenannte, gegründet. Infolgedessen wird der auch der Fußballklub vom proserbischen zum projugoslawischen und benannte sich in „SK Jugoslavija“ (Sportclub Jugoslawien) um.
Mit diesem Namen alleine hätten die neuen kommunistischen Machthaber wohl kein Problem gehabt. Sie störte allerdings, dass es sich bei dem „Jugoslawien“ im Namen des Vereins ursprünglich um das frühere, nun abgelehnte Königreich handelte. Deshalb verbot man den Verein erst einmal und enteignet ihn.
Gleichzeitig kam es zur Neugründung eines Vereins mit dem nun ideologisch passender Namen Crvena Zvezda (Roter Stern,) der praktischerweise auch das Eigentum des eben geschlossenen Vereins sowie einen Großteil seiner Spieler und die Clubfarben sowie das Vereinslogo übernahm.
Ziemlich schwierig das Ganze.
Partisanen gründen eigenen Verein
Einfacher machten es sich eine Hand voll ehemaliger Partisanengeneräle, die das Ideal eines neuen Fußballklubs verfolgten, der von der Vergangenheit unbelastet aus der Partisanentradition hervorgehen und aus Spielern verschiedenster jugoslawischer Nationalitäten zusammengesetzt werden sollte. Aus dieser Idee wurde der FK Partizan (Fußballklub Partisan) gegründet, der – man wird es sich schon denken können – gleichzeitig der Erzrivale von Roter Stern wurde.

Dies nicht nur, weil sich zwischen zwei Fußballclubs aus einer Großstadt, zumal solchen auf Augenhöhe, schon fast naturgesetzlich ein solches Konkurrenzverhältnis bildet, sondern auch deswegen, da die Vereine für verschiedene politische Kulturen standen.
„Roter Stern Belgrad“, so der Vorwurf mancher Partisanenanhänger, stand für eine elitäre Tradition mit personellem Erbe aus der vorvergangenen politischen Periode, während Partisan mit dem Neuen und Völkerverbindenden assoziiert wurde. Dementsprechend geht man auch davon aus, dass die Anhängerschaft von Roter Stern Belgrad meistens aus der Mittelschicht stammt, während sich unter den Fans von Partisan sowohl Proletarier wie Intellektuelle treffen.
HSV-und St. Pauli in Belgrad eben.
Bunte Partisan-Fanlandschaft: Totengräber, Romantiker und eine Punkgruppe
Beide Vereine haben Fangruppen, die einander nichts schenken und von Zeit zu Zeit für erheblichen Aufruhr sorgen.
Bei Partisan sind dies vor allem die Grobari, die Totengräber, die allerdings mehrere Facetten haben. Zum einen waren sie für verschiedenste Ausschreitungen verantwortlich. Zum andern machten sie der Vorstandschaft durch Stadionsstreik und ähnliche Maßnahmen in der Vergangenheit auch häufig Druck, um ihre Ziele zu durchzusetzen.
Zum dritten aber hat sich parallel zu dieser Fangruppe eine weitere Gruppe von Unterstützern mit dem seltsamen Namen „Grobarski Traš Romantizam“ kurz GTR, gebildet, die es sich – Achtung, jetzt kommt es! – zur Aufgabe gemacht hat, „Romantik und Poesie in den Dienst des Fußballklubs Partisan zu stellen“.
Um das Ganze noch unübersichtlicher zu machen, gibt es dann auch noch die Punkgruppe „Grupa JNA“ , deren gesamtes Repertoire der Huldigung des Fußballklubs Partisan gewidmet ist.
Gemeinsam mit GTR möchte die „Grupa JNA“ dafür sorgen, dass Fans von Partisan nicht mehr als Hooligans angesehen werden. Neben der Verherrlichung des Fußballklubs Partisan in Wort, Musik und Bild verstehen sich GTR und Grupa JNA offensichtlich auch als externer Ratgeber. Von Zeit zu Zeit schicken sie den Grobari nämlich über die Medien Empfehlungen.
Die schwarz-weißen Wandgemälde (Schwarz-weiß sind übrigens die Vereinsfarben von Partisan) bilden in diesem Gesamtprogramm einen Teil der kulturellen Begleitaktivitäten.



Allerdings stossen diese Murale nicht auf ungeteilte Zustimmung. So wurden in der Vergangenheit in gezielten Aktionen, die mutmaßlich von Fangruppen von Roter Stern Belgrad durchgeführt wurden, zahlreiche Bilder an mehreren Orten gleichzeitig zerstört.
Wenn man sich die Zerstörungen genau ansieht, dann fält folgendes auf:
Die Bilderstürmer haben sich die Mühe gemacht, einen Spruch von George Orwell (s. das rechte untere Ecke) gesondert zu übermalen. Was das wohl für ein Spruch war?
Hier die Übersetzung:
„Freiheit ist das Recht, den Leuten auch das zu sagen, was sie nicht hören möchten“
Und was soll man von dem übergemalten
Viva la Serbia!
halten? Die „Partisan“-Anhänger sind doch schließlich auch Serben?
Es mag überraschen, aber genau hier sind wir beim Kern des Streits. Es geht nämlich nicht nur um Fußballrivalitäten oder um die Frage, was Sportlichkeit ist, sondern nach Meinung einiger auch darum, wer den nun der Gralshüter des wahren Serbentums ist.
In der Boulevardpresse werden sogar politische Hinterbänkler zitiert, die geäußert haben sollen, dass jemand, der den Roten Stern verlässt, das Serbentum verlassen würde. (Die Äußerung ging noch weiter und betraf die Eigenschaften von Mitgliedern von Partisan. Diese möchten wir aber nun wirklich nicht wiederholen.)
Auch wenn es sich die Künstler nicht nehmen haben lassen, die Murale nochmals zu malen: Schade ist das Ganze trotzdem.
Ob da jemand neidisch ist?
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