Ein Auto, zwei Meinungen, Millionen Erinnerungen: Der Jugo
Am Kleinwagen „Jugo 45“ scheiden sich die Geister.
Zuerst die negativen Stimmen:
Der Wagen wurde auch – eigentlich ein Erfolg! – in die USA exportiert. Dort jedoch verbreitete sich ein Wortspiel: „I said Yugo (You go), but it doesn’t’”. (Ich sagte: „Geh, aber er machte es nicht!“)
Mit solchem Spott wird man leben müssen. Ebenso wie der Autor dieser Zeilen, der Anfang der 1980er Jahre stolz einen Ford (Fiesta) sein eigen nannte. Und dann – u.a. ausgerechnet von jemanden, der einen VW Sirocco fuhr – zu hören bekam: „Mit dem Ford fahren wir fort/mit dem Zug fahren wir nach Hause“.
Die Objekte dieser Spottattacken, mein alter Fiesta, Mitte der 80-er verkauft, und die meisten jemals produizierten Jugos fahren vermutlich heute noch irgendwo auf der Welt weitgehend pannenfrei durch die Gegend.
Wann aber hat man das letzte Mal einen Scirocco gesehen? Und wie lange würde es ein amerikanischer Straßenkreuzer auf ex-jugoslawischen Straßen machen?
Trotzdem: Im Ausland hat der Jugo nicht unbedingt einen guten Ruf. Und er verlor auch in Gebieten, die erst zum Ausland geworden waren, an Reputation:
In Kroatien, anfangs der 1990er, war es nicht die Technik, sondern der Name der allzu deutlich an den früheren Staat erinnerte. Deshalb entfernten etliche, kurz vorher noch stolze „Jugo“-Besitzer, das „J“ von der Schrift am Heck. Weshalb man auf den Straßen Zagrebs auf einmal zahlreiche „ugos“ fahren sah.
Wenn Abschied von der Vergangenheit so einfach wäre!
Das Positive
Trotzdem hat der Jugo in seinem Stammland eigentlich ein gutes Image (nun ja, er ist halt kein Golf…). Zur innerjugoslawischen kulturellen Rolle des Jugo, in diesem Fall des Modells 45, noch gleich.
Vorher aber noch ein Blick in die Rolle, die das Fahrzeug in der großen weiten Welten der Filme und der Musik, bis hin nach Hollywood, spielte:
Yugo = internationaler Kult in Film und Musik
In Wikipedia findet man zahlreiche Bezüge zur internationalen Film- und Musikkultur.
Dan Aykrod und Tom Hanks werden dort erwähnt, als Polizisten, die einen Yugo als Dienstwagen erhalten. In Stirb langsam – Jetzt erst recht ist ein Jugo Teilnehmer an einer dramatisch inszinierten Verfolgungsjagd. Auch Eddie Murphy, die Simpsons und Metaliica fehlen unter denjenigen nicht, die im Zusammenhang mit dem Auto vom Balkan erwähnt werden. Keine positiven Erinnerung an diesen Kleinwagen dürfte Bettie Midler bzw. die von ihr in dem Film Spielfim „Drowning Mona“ verkörperte Person haben: Sie stirbt nämlich in einem Yugo, weil dessen Bremsen versagten. Muß man verstehen. Anderseits: Hat sich James Dean schon jemals über Porsche beklagt?
Jugo aus Jugo-Sicht
Tot im Jugo: Schlimm! Aber einmal ehrlich: Wesentlich mehr ans Herz geht die Widmung der bosnischen Band Zabranjeno Pušenje (Rauchen verboten) – ja, sie kommen öfter in diesem Blog vor! – für das Modell 45.
Dort wird dieses Auto nämlich den Weltwundern der Pyramiden gleichgestellt. Und es wird besungen, wie die Nachbar schauten, als der Vater stolz den neuen Wagen parkte. Das selbe Modell wurde, demselben Lied zufolge, von allen Nationalitäten benutzt, um Apfel zu verkaufen, die Frau zur Entbindung zu bringen oder um zu zweifelhaften Damen zu fahren.
Das Schweizer Taschenmesser unter den Autos also!
Und dann kommt dieser Refrain. Der realistischer als viele politische Statements die Zwiespältigkeit der ehemaligen Jugoslawiens darstellt:
Es war die gute Zeit,
in der man mit dem Auto zum Ausflug,
sogar ans Meer fahren konnte,
im Haus Gelächter, im Garten der Jugo 45
– aber alles eben nur auf Kredit.
Nur zur Aufmerksamkeitsleitung: Der letzte Satz ist es, der den Unterschied zu anderen verklärenden Liedchen und Hymnen macht:
Nostalgie ohne Beschönigung, mit einem Schuß Kritik, Realismus und Selbstironie, davon braucht die Region mehr!
Jugo 45: Begegnungen ganz oben im Norden, und unter im Süden
Der eigentliche Grund für diese Reflektionen über die Automarke Jugo (oder TCFCZ, kurz für: The car fomerly called Zastava) an dieser Stelle:
Der Autor dieser Zeilen joggte neulich in der Gegend von Subotica, kurz vor der ungarischen Grenze. Und das sah er am Wegesrand einen Jugo 45, der zum Verkauf angeboten wurde. Für nur 150,00 Euro.
Zwei Wochen später in Nis, tief im Süden Serbiens, bei einer Konferenz traf er einen türkischen Professor, der offensichtlich ein Faible für den Jugo 45 hat. U.a. erzählte er, dass er schon überlegt hätte, sich einen zu kaufen. Schade, dass zwischen Interessenten und Angebot ca 500 km lagen!
Jugo = Trabant ?
Vielleicht ist der Jugo 45 ja das, was der Trabant für einige in Deutschland ist?
- ein kleines Auto,
- das an eine angeblich größere Vergangenheit erinnert
- – wobei man schon mal gerne offensichtliche technische Mängel (des Fahrzeugs und des Staates) übersieht?
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