Historische Neujahrswünsche aus Jugoslawien

Bildquelle: Screenshot von You Tube

Wir wünschen allen Besuchern dieser Website ein gutes neues Jahr. Dies möchten wir mit dem Hinweis auf drei spezifisch jugoslawische Videos zum Thema „Neues Jahr“ tun.

1967: Kritik zwischen den Zeilen

Das erste ist das Lied „Srecna nova godina“ (Gutes Neues Jahr) aus dem Jahr 1967, das von Miodrag Petrović genannt Čkalja, einem der beliebtesten Komiker im ehemaligen Jugoslawien, gesungen wird.

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Bildquelle: Screenshot von You Tube: (In einem Kommentar dazu heißt es „Der sieht ja aus wie der Sänger von ACDC“)

Er bedankt sich zuerst in verschiedenen bei allen Werktätigen, die in der Neujahrsnacht Dienst tun, um dann zwischen den Zeilen Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen zu üben. Unter andrem heißt es:

Wir steigen nicht in die Straßenbahn ein, sondern in ein neues Jahr, da nimmt man alles mit. Wenn Du im letzten Jahr einen gekürzten Lohn erhalten hast, dann bekommst du ihn auch im neuen Jahr.

Nach dieser Einleitung spielt es auf das gesellschaftliche Eigentum an, das man sich in Jugoslawien in bewusster Abkehr vom Staatseigentum der Ostblockstaaten gegeben hat, und bei dem die Produktionsmittel „allen und keinem“ gehören sollten:

Die Fabriken sind dein, die Wasserkraftwerke sind deine und auch die Deklarationen, die Pläne, all das gehört dir.

Zum Ende hin heißt es dann:

Du lebst in einer Gesellschaft, die sich viel vorgenommen hat, deshalb hast Du viel Gepäck zu tragen.

Zaghafte Kritik, aber für Eingeweihte verständlich.

1990: Hyperinflation und deutliche Worte

Das nächste Video entsandt 23 Jahre später und ist in der Kritik deutlicher.

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Bildquelle: Screenshot von You Tube

Es stammt aus Toplista nadrealista, was übersetzt „Hitparade der Surrealisten“ bedeutet und für eine Monthy Phyton-artige Satiresendung aus den 1980ern, die die politische Situation im damaligen Jugoslawien satirisch kommentierte, steht. (Toplista nadrelista war damals einer der wichtigsten Gründe, die uns dazu motivierten, uns mit Jugoslawien zu beschäftigen. Deshalb wundern wir uns selbst, dass wir bislang noch nicht über sie in diesem Blog hatten! Das sollten wir bei Gelegenheit einmal mit einer ausführlichen Würdigung nachholen.)

Hier geht es zu diesem Video.

Für alle, die die Sprache nicht verstehen, hier einige übersetzte Auszüge der Neujahrsansprache des Moderators, der zuerst ein „konvertibles Jahr 1990“ wünscht, da der Dinar zur Bekämpfung der grassierenden Inflation von mehr als 2000 % jährlich im Dezember 1989 „binnenkonvertibel“ geworden war (Man konnte also jetzt D-Mark offiziell am Bankschalter kaufen):

Zuerst erfolgt eine Persiflage auf die damals üblichen Durchhalteparolen:

Es ist nicht leicht, heute in dieser Zeit Bürger Jugoslawiens zu sein, es ist nicht leicht, aber wir gehen auch in dieses neue Jahr mit neuen Entbehrungen, mit der Bereitschaft für die schwersten Opfer, mit einem starken und festen Motto, das lautet „Drei Tage Hunger, am vierten Tag wieder Hunger, am fünften Tag richtiger Hunger, am sechsten Tag Hungeragonie – aber dafür gibt es am siebten Tag Bohneneintopf.“

Später folgt in der Sendung übrigens ein Seitenhieb auf die schwierigen Abstimmungsprozesse im Selbstverwaltungsstaat: Ein japanischer Experte namens Deposito kamata (zu Deutsch etwa: Herr Zinsdeposit) hat als Vorschlag gegen die gallopierende Hyperinflation das Einfrieren nicht der Zinsen, sonder der Menschen bis Juni vorgeschlagen, ein Vorschlag, der jedoch am Veto der jugoslawischen Wasserballvereinigung scheitern könnte.

Willy Brandt und Helmut Kohl wünschen den Jugoslawen ein neues Jahr

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Bildquelle: Screenshot von You Tube

Und als Zugabe hier das link zu einem weiteren Ausschnitt aus dieser Sendung:

Willy Brandt und Helmut Kohl sind sich zwar darüber einig, dass sie den Jugoslawen ein gesundes neues Jahr wünschen möchten, streiten aber darüber, ob die Bundesrepublik Deutschland Visa für die Bürger Jugoslawiens einführen sollte.

Auch ohne Sprachkenntnisse ist es ein Vergnügen, zu hören wie die typischen Sprachmelodien von Willy Brandt und Helmut Kohl in das Serbokroatische übertragen wurden. Vor allem die knarzige Stimme von Willy Brandt finden wir sehr gelungen!

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