Für diesen Blogbeitrag gibt es zwei mögliche Einleitungen:
Einleitung 1
Die erste könnte lauten:
Meist ist es Übertreibung, wenn man sagt: „Dieses Fußballspiel wird in die Geschichte eingehen„. Und wenn, dann geht es allenfalls um die Fußballgeschichte.
Das einzige Fußballspiel, das wirklich in die allgemeine Geschichte eingegangen ist, war das Spiel zwischen Roter Stern Belgrad und Hajduk Split, das am Sonntag, dem 4. Mai 1980 in der 41. Minute kurz nach 15.00 Uhr beim Stand von 0:0 abgebrochen wurde.
Dies nicht wegen irgendwelcher Auseinandersetzungen im Stadion, wie sie bei Erzrivalen dieses Schlages leider schon einmal vorkommen, sondern wegen eines, von vielen bereits befürchteten Ereignisses, das sich mehrere hundert Kilometer Luftlinie weiter ereignet hatte. Die Rede ist vom Tod des jugoslawischen Staatspräsidenten Josip Broz, besser bekannt als Tito.
Einleitung 2:
Und hier ist die Variante 2:
Der Fall der Berliner Mauer und der 11. September 2001 sind Ereignisse, bei denen jeder sofort sagen kann, was er gerade getan hat, als er davon erfuhr. Im ehemaligen Jugoslawien gilt das noch mehr für den 4. Mai 1980, genauer: Für diesen Tag um 15 Uhr und fünf Minuten als die Todesnachricht bekannt gegeben wurde.
Auch wenn seit langem bekannt war, dass Tito schwer krank war, stellte die Nachricht von seinem Tod einen Schock dar, der das ganze Land lähmte.
Am eindrucksvollsten kann man das anhand der heute freigegebenen Filmaufnahmen der Situation im Fernsehstudio vor der Bekanntgabe der Todesnachricht nachvollziehen.
Im Studio herrscht Ratlosigkeit. Noch während der Sprecher bereits an seinem Platz sitzt, werden handschriftlich Änderungen in seinem Text vorgenommen. Auf die anschließende Frage aus der Regie, ob er bereit sei, antwortet er frustriert: „Warte, warte!“.
Erst nach einigen inneren Kämpfen, die man seinem Gesicht deutlich ablesen kann, ist er bereit, die im ehemaligen Jugoslawien heute historischen Worte „an die sich jeder Jugoslawe erinnert“, auszusprechen:
Umreo drug Tito („Der Genosse Tito ist gestorben“).
Danach fällt ihm seine Arbeit sichtlich leichter. Was auch damit zu tun haben kann, dass der Rest der Todesmeldung im üblichen sozialistischen Duktus gehalten ist: “
Dies haben heute abend das Zentralkomitee des Bundes der Sozialisten Jugoslawiens und das Präsidium der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien der Arbeiterklasse, den arbeitenden Menschen, den Bürgern, den Völkern und Volkschaften der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien bekanntgegeben.“
Im Fußballstadion in Split, auch das belegen Fernsehaufzeichnungen , hätte man nach der Bekanntgabe dieser Nachricht den Flügelschlag eines Schmetterlings hören können.
Danach jedoch wird das Stadion von 50.000 Stimmen, die wie auf ein geheimes Kommando anfangen, das Lied „Genosse Tito, auf dich schwören wir“ zu singen, erfüllt.
Zeitzeugen berichten davon, dass Familienväter vor dem Fernseher Habachtstellung einnahmen. Wieder andere, die noch Kinder waren, erzählen davon, dass sie von Erwachsenen, die auf einmal jegliche Souveränität verloren hatten, in das Haus beordert wurden, wie vor einem drohenden Unwetter. Soldaten, die Ausgang hatten, kehrten ohne Befehl in ihre Kasernen zurück, wobei ihnen Autofahrer spontan Mitfahrgelegenngelegenheiten boten.
Was folgte war, so zumindest die jugoslawischen Medien, „die größte Trauerfeier in der Geschichte der Menschheit“.
Nicht nur in Jugoslawien gab es Befürchtungen, dass mit dem Tod Titos ein militärischer Konflikt ausbrechen könnte. In der ausländischen Presse wurde der Tod Titos damals mit der Bemerkung kommentiert, dass er das Ende von 40 Jahren jugoslawischen Geschichte darstellen würde.
Eine Dekade später sollte man wissen, dass er nicht nur das Ende der Geschichte des jugoslawischen Staates überhaupt, sondern auch mehrere kriegerische Auseinandersetzung, eingeläutet hatte.
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