Mazedonien: Sonderstaatsanwältin legt Zwischenbericht vor und ist weiter unter Beschuss

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Mazedonien: Ein „Staatsschiff“ auf unklarem Kurs. (Das Bild zeigt eines von mehreren neugebauten Restaurauntschiffen auf der nicht schiffbaren Vardar, im Hintergrund das neu gebaute gemeinsame Gebäude des Völkerkundemuseums und des Verfassngsgerichts)

 

Diametral entgegengesetzte Bewertungen

Die Tätigkeit der Sonderstaatsanwältin Katica Janeva polarisiert die Bevölkerung und die Medien in Mazedonien weiter.

  • Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ihre bisherige Arbeit äußerst positiv beurteilen und beklagen, dass staatliche Institutionen nicht bereit sind, ihre Arbeit zu unterstützen. In englischer Sprache lässt sich die Argumentation der Unterstützer beispielsweise bei dem Online-Nachrichten-Dienst Balkan Insight nachlesen.
  • Auf der anderen Ende des Spektrums steht der, vom Generalstaatsanwalt Marko Zvrlevski erhobene Vorwurf, sie würde unsorgfältig arbeiten. Auch wird kritisiert, dass sie nicht bereit ist, Fragen zu ihrem ersten Zwischenbericht nicht vor dem Parlament und dem Staatsanwaltsrat zu beantworten. Schließlich werfen ihre Medien, insbesondere die staatliche Nachrichtenagentur MINA, die auch einen englischsprachigen Dienst anbietet vor, selbst versuchten Betrug begangen und die Presse belogen zu haben.

Erste Zwischenergebnisse und Widerstände

Nun hat die Sonderstaatsanwältin aufgrund ihrer Untersuchungsergebnisse die Legitimität der Parlamentsabgeordneten, der Verfassungsrichter und des Staatspräsidenten bezweifelt. Außerdem gab sie bekannt, dass sie gegen sechs Personen wegen illegalen Abhörens, gegen 37 wegen Amtsmissbrauchs und gegen 22 wegen Delikten im Zusammenhang mit Wahlen ermitteln würde. Weiter ermittle sie wegen Korruption und Steuerhinterziehung. Schließlich befänden sich 120 weitere Fälle in der Voruntersuchung. Demnächst sollen die ersten Anklagen erhoben werden.

Haftbefehle beantragt, Konflikt mit Generalstaatsanwalt, Parlament und Staatsanwaltsrat

Die Sonderstaatsanwältin hat im Februar gegen verschiedene frühere Spitzenpolitiker Haftbefehl beantragt. Dieser Antrag wurde jedoch vom Gericht abgelehnt.

Auf Widerstand stößt die Sonderstaatsanwältin auch beim Generalstaatsanwalt Marko Zvrlevski, der verschiedene Fälle nicht auf die Sonderstaatsanwältin übertragen will.

Sowohl das Parlament wie der Staatsanwaltsrat, ein Organ zur Beteiligung an der Ernennung der Staatsanwälte und zu deren disziplinarischen Aufsicht, das in Deutschland nicht besteht, hatten Janeva einbestellt, um Fragen zu ihrem ersten Zwischenbericht zu beantworten. Diese hat es abgelehnt, dieser Ladung Folge zu leisten, da sie dazu nicht verpflichtet sei.

Lange Vorgeschichte

Dies ist der vorläufige Höhepunkt einer Jahre langen Entwicklung. Diese ist durch eine zunehmend autoritär regierende Koalition, an deren Spitze sich die konservative, slawisch-mazedonisch-national ausgerichtete VMRO-DPMNE befindet, Gerüchte über Wahlfälschung und -Beeinflussung sowie über Missbrauch der Justiz und Korruption gekennzeichnet. Hinzu kommt ein, in den Straßen von Skopje für jedermann ersichtlicher Hang zu kostspieligen und überdimensionierten Bauprojekten.

500 000 abgehörte Telefonate

Der Ausgangspunkt der gegenwärtigen Entwicklung liegt im Februar 205. Damals begann der Vorsitzende der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei Zoran Zajev mit der sukzessiven Veröffentlichung von Tonbändern mit illegal abgehörten Telefonaten. Auf diesen waren u.a. Absprachen und Telefonaten von regierenden Politikern zu hören, die Wahlfälschungen und die Beeinflussung der Justiz zum Gegenstand haben (sollen). Insgesamt sollen eine halbe Million Telefonate von ca. 20.000 Personen abgehört worden sein. Unter letzteren auch drei ausländische Botschafter/innen.

Verschiedene Meinungen gibt es dazu, wer diese illegalen Abhörmassnahmen durchgeführt hat. Nach Auffassung der Opposition erfolgte dies im Auftrag des früheren Premierministers Gruevski, der die Opposition, aber auch seine eigenen Minister, kontrollieren wollte. Die Regierung dagegen bezichtigt einen, nicht näher genannten ausländischen Geheimdienst.

Multiple Krise

Dies ist nur eine von vielen Krisen, die das politische Leben in Mazedonien seit Jahren bestimmen. Um diese multiple Krise zu lösen, vermittelten EU und die USA das Abkommen von Prizren. Bei diesem verpflichtete u.a. zu vorgezogenen Neuwahlen. Diese werden gegenwärtig vorbereitet, mussten aber schon von April auf den 5. Juni verschoben werden, da die Wählerlisten Unregelmäßigkeiten aufweisen.

Ein weiterer Bestandteil dieser Versuche zur Bereinigung der Krise war die Einrichtung der Sonderstaatsanwaltschaft, die im September 2015 eingerichtet wurde. Ihre Aufgabe ist die Ermittlung der Auftraggeber der Lauschangriffe, aber auch die Aufklärung weiterer Straftaten.

Harter Ton der Kritiker

Seit ihrem Bestehen steht die Sonderstaatsanwaltschaft, und vor allem ihre Leiterin, die sich wiederum ihrerseits über mangelnde Unterstützung beklagt, im Kreuzfeuer der Kritik der regierungsnahen Medien.

Unter der Überschrift „Janeva not just a fake prosecutor, also a fake farmer” berichtete die staatliche Nachrichtenagentur MINA, Janeva habe einen Antrag auf Erwerb landwirtschaftlicher Flächen im Rahmen eines Programmes gestellt, das nur eingetragen Landwirten offen stehe. Ebenso habe sie ein Appartement in Skopje mit dem Argument beantragt, sie habe dort keine Wohnmöglichkeit, obwohl sie kurz vorher zwei Apartments gekauft habe.

Die Kritik an der Sonderstaatsanwältin wird auch von politisch Verantwortlichen mit harscher Rhetorik begleitet.

Der Bürgermeister des Skopiter Stadteils Karposh Stevce Jakimovski beispielsweise bezeichnetet der Nachrichtenagentur MINA zufolge Janeva als „Puppe“, die „mit einer Armee kommen kann, dann werden wir gegen sie aufstehen“. Jakimovski hatte vorher, bei andre Gelegenheit, den Sozialdemokraten Zoran Zaev als “Virus” bezeichnet. Auch warf er der Sonderstaatsanwältin vor, ein Ermittlungsverfahren gegen Zajev nicht zu betreiben.

Schließlich bezeichnet er sie als „korrupt und auf höchst illegale Weise als Staatsanwältin berufen“. Schließlich verwies er darauf, dass „das Geld, dass dieser Frau bezahlt würde“ (er nannten einen Betrag von vier Millionen Euro, ohne dabei deutlich zu machen, ob er das persönliche Gehalt der Sonderstaatsanwältin oder die Aufwendungen für die Sonderstaatsanwaltschaft als solche meinte) „Pensionären, Menschen in Not und Krankenhäuser (weg) genommen wurde“.

 

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